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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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stern wurde dazu ein angebliches Foto von uns beiden abgebildet – nur zeigt dieses Bild, wie ich mit einem Mädchen aus meiner Schulklasse auf der Frankfurter Opernbühne nach einer Ballettgala Blumen überreiche.
    Eine andere – ebenfalls unzutreffende – Meldung besagte, ich hätte S. einmal im Frankfurter Flughafenrestaurant zu einem Gespräch getroffen ( Spiegel 33/1977). Es gab so vieleBeschreibungen der angeblichen Freundschaft zwischen S. und mir, dass meine Mutter dies sogar öffentlich dementieren ließ – es tickerte über die dpa.
    In den alten Artikeln finde ich auch den Hinweis auf ein auffälliges, in Karlsruhe anonym verbreitetes Flugblatt, das einer Terrorsympathisantengruppe zugeordnet wurde, die sich als »Initiative gegen die Vernichtung politischer Gefangener« ausgab. Das Flugblatt war die erste Stellungnahme noch vor dem »Bekennerbrief« von S. In der Süddeutschen Zeitung vom 16. August 1977 wird daraus zitiert: Der Mord an meinem Vater »sei ›durch die westdeutsche Stadtguerilla‹ verübt worden«. Westdeutsch? Eine ungewöhnliche Wortwahl für ein angeblich in Karlsruhe entstandenes Flugblatt, das fiel mir damals schon auf.
    Weiter heißt es: »… zum Beispiel war er [Jürgen Ponto] Berater von H[elmut] Schmidt und von Vorster [dem südafrikanischen Staatspräsidenten], [dem ägyptischen Präsidenten] Sadat, dem Schah von Persien«.
    Erstaunlich, wie gut die Verfasser des Flugblatts über die wirtschaftlichen, politisch gestützten Kontakte meines Vaters nach Südafrika, Ägypten und Iran informiert waren. Wenn man solche Wirtschaftskontakte allerdings persönliche »Beratungen« nennen will, dann wäre mein Vater auch der persönliche Berater des KP d SU – Generalsekretärs Leonid Breschnew und des sowjetischen Ministerpräsidenten Alexej Kossygin gewesen – denn im Zuge der ersten Wirtschaftskontakte in die Ud SSR eröffnete er 1974 die erste Filiale einer deutschen Bank in Moskau. Diese »Initiative gegen die Vernichtung politischer Gefangener« hatte lange Ohren und besaß viel Halbwissen – eine sehr professionell anmutende Kombination.
    Bezugnehmend auf die Inhaftierten in Stammheim behauptete die Gruppe in diesem Flugblatt zudem, »der Staat« unternehme seit dem 8. August 1977 mit Hilfe der »westdeutschen« (sic!) Massenmedien eine »propagandistische Vorbereitung auf einen gezielten Mord«. Deshalb seien die Häftlinge von Stammheim in Einzelhaft genommen worden. Ihre »Endlösung« werde vorbereitet. Da wurde also schon die »richtige« Interpretation der Stammheim-Selbstmorde ausgegeben. Acht Wochen zuvor!

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Es war, wie es war
Julia Albrecht
    Liebe Corinna,
    Du hast mich mal gefragt, warum so viele Menschen aus unserem Umfeld Susanne sogleich von Schuld freigesprochen hätten und ob sich dies nach der Veröffentlichung des Bekennerschreibens geändert habe.
    Das Ganze ist ja mehrdimensional. Es gab ja nicht nur die persönlichen Reaktionen, es gab auch und vor allem die publizistischen. In den Zeitungen galt Susanne als das Monster schlechthin. Der Verrat an Euch (und uns), der Verrat der freundschaftlichen Bande zwischen den beiden Familien stand und steht dort bis heute im Zentrum. Die Hinterlist, sich bei Euch einzuschleichen als Freundestochter, hat die öffentliche Meinung geprägt, insbesondere nachdem das Bekennerschreiben bekannt geworden war. Denn mit ihrer Unterschrift – wir hatten keinen Zweifel, dass es ihre Handschrift war – bezeugte sie, dass sie zu dem, was sie getan hatte, auch stand.
    Im privaten Bereich sah das freilich ganz anders aus. Die Kinder der meisten Freunde meiner Eltern waren im Alter meiner großen Geschwister. Und in vielen dieser Familien gab es mindestens ein Kind, das politisch nicht nur aktiv, sondern geradezu eingesogen war von dem Aufbegehren der Studentengeneration gegen die Elterngeneration. Susanne war nicht die Einzige, die die Verhältnisse, in denenihre Eltern sich bewegten, als moralisch verwerflich empfand. Sie war nicht die Einzige, die sich für ihre Herkunft schämte und das Leid der Welt im Nah- und Fernbereich stärker in den Fokus nahm als ihre eigene persönliche Entwicklung. Viele der Freundinnen und Freunde meiner Eltern sorgten sich um die Entwicklung ihrer Kinder.
    Meine Eltern haben Berge von Post – ich nenne sie »Kondolenzbriefe« – erhalten, in denen Freunde und Bekannte ihnen, ja, quasi ihr Beileid ausdrücken. Damals habe ich diese Briefe entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht zu

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