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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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Dein Leben. Hör auf mit dem Verzweiflungsspiel. Versuche es wenigstens. Lass Dir Rat geben, was Dir frommen könnte, um glücklich zu werden. Versuch nicht die Welt mit Bomben zu retten. Sie schlägt auf Dich zurück. Und Du wirst nichts erreichen außer Deinem eigenen und vielem anderen … Unglück.
    Susanne, ich habe große Befürchtungen für Dich. Du musst jetzt anfangen, Dir selbst zu helfen und Dich selbst kritischer zu prüfen. Du weißt, dass wir Dir gerne dabei helfen.
    Pappi
    Als ich den Brief vor rund einem Jahr zum ersten Mal gelesen habe, hat er mich sprachlos gemacht. Mein Vater war bereits tot, und er konnte uns nicht mehr sagen, in welcher Situation er den Brief geschrieben hat. Und wie er ihn im Nachhinein bewertete. Ich habe eine Kopie dieses Briefes, auf Bitten meiner Mutter, auch meiner Schwester Susanne geschickt. Sie hat ihn aber nie kommentiert.
    Noch mal: Vom Ende her gedacht, also von heute aus, scheint sich der Vorwurf zu bestätigen, dass meine Eltern genug wussten. Um sich Sorgen zu machen, allemal. Sie machten sich große Sorgen. Aber wie sie ihr Wissen bewerteten, das wird erst deutlich, wenn man zwei weitere Briefe meines Vaters hinzunimmt. Er hat sich augenscheinlich auch gefragt, ob er mit seinem Wissen anders hätte umgehen sollen. Einer der Briefe ist der Entwurf eines Antwortbriefs an Deine Mutter, den er wenige Monate nach der Tat auf winzigen Zettelchen notiert und nie auf Briefpapier übertragen hatte. Der andere ist der ebenfalls bereits zitierte Brief anDeinen Vater aus dem Jahr 1992.
    In dem ersten Brief heißt es:
    Natürlich wussten wir, dass sie Ansichten äußerte, die wir nicht billigen konnten, dass sie zum Beispiel an einer Hausbesetzung teilgenommen hatte, dass sie Sympathie [für] sehr anarchische Ansichten zeigte, dass sie beim sog. [Anti-] Folter-Komitee zeitweise mitgearbeitet hatte, dass sie uns beunruhigende Freunde gehabt hatte und einmal ein Ermittlungsverfahren gegen sie gelaufen war, das eingestellt wurde, weil man glaubte, sie habe Zündkapseln aus Holland nach Deutschland gebracht. In dem Sommer aber, als sie bei Euch war, waren wir selig und erleichtert. Ihre Kontakte mit uns waren … gut … ab März des Jahres gewesen. Sie besuchte uns häufiger. Sie war gelöst, aufgeschlossen für die Familie, sie fragte nach Freunden von früher, nach unseren Freunden auch. Sie schien sich aus Verstrickungen gelöst zu haben, als sie nach Frankfurt ging. Ihr Interesse an uns, an der Familie, an den Freunden schien uns echt und schien uns zugleich so wichtig auch für sie, die, wie wir glaubten, begann sich uns und unseren Ansichten wieder anzuschließen. Wir waren froh, als sie Lust zeigte, Euch zu besuchen. Dass das alles vorgetäuscht gewesen sein soll, können wir auch heute noch nicht glauben. Sollte sie uns so getäuscht haben? Kann man eine Mutter überhaupt so täuschen? Und wäre es wirklich so, wäre es allein für sich genug, Christa bis an den Rand des Selbstverständnisses zu bringen. Wir können zu Dir letztlich nur sagen, wir wissen es nicht. Wir können und wollen die Hoffnung, wenn man das schon eine Hoffnung nennen darf, nicht aufgeben, dass Zwang sie geleitet hat. Seelischer Zwang oder äußerer Zwang oder Täuschung über Absichten.
    Ich will gar nicht Dein Verständnis erbitten oder Albrechts reinzuwaschen versuchen. Aber ich möchte gerne, dass Du jedenfalls einmal hörst, dass wir gutgläubig Dir gegenüber stehen, dass wir selbst bis ins Mark getroffen sind.
    In dem zweiten Brief nimmt er das Thema noch einmal auf und beschäftigt sich mit den Fragen von Verantwortung und Schuld:
    Und dann kommen die vielen Fragen wie zum Beispiel: »Und was haben wir damit zu tun?«, »Was ich?«, »Gibt es z.   B. Schuld der Eltern?«
    Seitdem ich mehr darüber nachdenke, werden Fragen dringender, aber die Antworten nicht einfacher. Für die Entwicklung unserer Kinder z.   B. sind wir sicher sehr umfassend verantwortlich. Wir haben das jedenfalls immer so empfunden. Sie sollten »gute« Menschen werden, friedliebend, gewaltlos und ehrlich. Sie sollten ihre Gaben nutzen, Standards lernen, Verhaltensweisen, die wir für traditionell gesichert und richtig hielten. Darum haben wir uns sehr bewusst bemüht. Und wir liebten sie. Fehlsamkeit bei dem Bemühen, der Verantwortung gerecht zu werden, kann aber vielleicht eine subtile Sache sein. Da gibt es sicher viele Blickwinkel. Susanne z.   B. meint (oder meinte doch zeitweise), in diesem Sinne Gründe für

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