Patria
erst vor kurzem in Ihre Hände gelangt?«
»Nein. Ich habe keinen Zeitpunkt erwähnt. Mal wieder ein Trick in die Hose gegangen, Malone.«
»Ich muss es aber wissen. Es ist wichtig. War es innerhalb der letzten Monate?«
Ihr Retter zögerte und nickte dann.
Malone hatte sich seine Gedanken gemacht. »Soweit wir wissen, laden die Hüter schon seit Jahrhunderten Menschen in die Bibliothek ein. Das heißt, dass die Hinweise auf die Lösung des Rätsels sich ändern müssen. Sie müssen die Aufgaben an die jeweilige Zeit anpassen. Ich möchte sogar wetten, dass sie dieses Rätsel für jeden Eingeladenen neu formulieren. Warum auch nicht? Das macht eine Art persönliche Berufung daraus. Schließlich machen sie sich auch sonst ziemlich viel Mühe. Warum sollte das in diesem Punkt anders sein?«
McCollum nickte. »Ja, das macht Sinn.«
Pam hämmerte auf die Tastatur ein.
»Der erste Teil«, begann Malone, »lautet: Wie eigenartig sind doch die Manuskripte, o großer Reisender im Unbekannten. Die Schriften wirken so, als stünde jede für sich, doch demjenigen, der weiß, dass alle Farben des Regenbogens zusammen zu weißem Licht verschmelzen, kommen sie wie ein großes Ganzes vor. Aber wie soll man nun diesen einzelnen Lichtstrahl ausmachen? Das ist alles nur Gelaber und heißt einfach nur, dass es um viele Informationen geht. Aber der nächste Teil ist wichtig: Es ist ein Geheimnis, doch suche die unserem Schutzheiligen geweihte Kapelle am Tejo in Bethlehem auf. «
»Ich hab’s schon gefunden«, sagte Pam.
Er lächelte. Sie hatte vorausgedacht, und das gefiel ihm.
»Ich habe nach Tejo und Bethlehem gesucht.«
»Ist das nicht zu einfach?«, fragte McCollum.
»Die Hüter wissen mit Sicherheit, wie die Welt aussieht. Das Internet ist nun einmal da, und warum sollten die Hüter etwas dagegen haben, dass ein Eingeladener es nutzt?«
Malone sah auf den Bildschirm. Die Internetseite, die Pam gefunden hatte, war eine Werbeseite für Portugalreisende, auf denen die Sehenswürdigkeiten in und um Lissabon dargestellt wurden.
»Belém«, sagte Pam. »Es ist ein Viertel, das unmittelbar ans Stadtzentrum angrenzt. Belém ist der portugiesische Name für Bethlehem.«
Malone las den Abschnitt über das Stadtviertel, das südwestlich vom Zentrum Lissabons lag. Von dort aus waren vor langer Zeit die portugiesischen Karavellen gen Westen in See gestochen. Da Gama, der nach Indien gesegelt war, Magellan, der erste Weltumsegler, und Dias, der als Erster das Kap der Guten Hoffnung umschifft hatte. Dank der Kostbarkeiten und insbesondere der Gewürze, die damals aus der Neuen Welt herbeigeschafft worden waren, hatte Belém eine Blütezeit erlebt. Der portugiesische König errichtete sich dort eine Sommerresidenz, um die herum sich wohlhabende Bürger niederließen. Früher war Belém eine selbständige Gemeinde, und heute ist es ein Anziehungspunkt für Touristen, die seine Geschäfte, Cafés und Museen bevölkern.
»Heinrich der Seefahrer ist eng mit diesem Ort verbunden.«
»Lass uns herausfinden, was mit die unserem Schutzheiligen geweihte Kapelle gemeint ist«, bat Malone.
Nach ein paar Mausklicks zeigte Pam auf den Bildschirm. »Ich bin dir schon wieder voraus.«
Auf dem Bildschirm erschien ein riesiges Bauwerk aus verwittertem Stein, dessen fein ziselierte Turmspitzen in einen bewölkten Himmel ragten. Die Architektur des Gebäudes zeigte Elemente aus Gotik und Renaissance sowie maurische Einflüsse. Eine Fülle von Skulpturen war in die Steinfassade gemeißelt.
»Die Klosterkirche der Santa Maria von Belém«, entnahm Malone dem Bildschirm.
Pam scrollte nach unten, und Malone las, dass es sich um eines der bekanntesten Baudenkmäler Portugals handelte, das auch den Namen Hieronymuskloster trug. Viele der bedeutendsten Persönlichkeiten Portugals, darunter die portugiesischen Könige und Königinnen, waren hier bestattet worden.
»Wieso bist du auf dieser Seite gelandet?«, fragte Malone Pam.
Sie klickte auf einen Link.
»Ich habe mehrere Begriffe eingegeben, und die Suchmaschine hat mich sofort auf diesen Link verwiesen. 1498, als da Gama den Seeweg nach Indien gefunden hatte und von seiner Reise zurückkehrte, stiftete der portugiesische König Geld für den Bau eines Klosters. 1500 nahm der Orden des Heiligen Hieronymus das Anwesen in Besitz, und am 6. Januar 1501 wurde der Grundstein gelegt.«
Malone kannte die Bedeutung dieses Datums noch aus seiner Kindheit. Seine Mutter war katholisch gewesen und
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