Patria
einem zur Verfügung steht. Konzentrier dich auf das, was vor uns liegt, hilf mir, es anzugehen, und überlasse Dominick seinen eigenen Part.«
Sie atmete tief ein und blies die Luft langsam durch die zusammengebissenen Zähne wieder hinaus, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. »Was soll ich tun?«
»Geh im Park spazieren. Lauf Henrik dort ganz zufällig über den Weg. Er hält sich hier für sicher. Bestätige ihn in diesem Gefühl.«
45
Washington DC
10.30 Uhr
Stephanie war nicht gerade begeistert von ihrem neuen Aussehen. Ihr silberblondes Haar war von Cassiopeia kastanienbraun gefärbt worden, auch war sie anders geschminkt und trug neue Kleider sowie eine Brille aus Fensterglas. Es war nicht perfekt, aber auf den ersten Blick war sie doch ziemlich verändert.
»Ich habe schon seit Ewigkeiten keine Hosen aus Wolle mehr getragen«, sagte sie zu Cassiopeia.
»Die waren ganz schön teuer, pass also gut auf sie auf.«
Stephanie grinste. »Als wenn du dir das nicht leisten könntest.«
Eine Bluse mit rundem Ausschnitt und eine marineblaue Jacke vervollständigten Stephanies Outfit. Sie saßen auf dem Rücksitz eines Taxis, das sich durch den Spätvormittagsverkehr quälte.
»Ich erkenne dich kaum wieder«, meinte Cassiopeia.
»Willst du damit sagen, dass ich mich sonst wie eine alte Frau anziehe?«
»Ich finde schon, dass deine Garderobe ein bisschen modischer sein könnte.«
»Wenn ich lebend aus dieser Sache rauskomme, kannst du ja mal mit mir shoppen gehen.«
Cassiopeias Augen glänzten belustigt. Stephanie mochte diese Frau, deren Selbstvertrauen ansteckend wirkte.
Sie waren auf dem Weg zu Larry Daleys Privathaus. Er lebte in Cleveland Park, einem großartigen Wohnviertel in der Nähe der National Cathedral. Früher hatten die Bürger Washingtons hier im Sommer Schutz vor der Hitze gesucht, heute gab es in dem Viertel interessante kleine Läden, trendige Cafés und ein beliebtes Jugendstiltheater.
Sie ließen den Taxifahrer drei Straßen von Daleys Haus entfernt halten und bezahlten die Fahrt. Den Rest des Weges gingen sie zu Fuß.
»Daley ist ein arrogantes Arschloch«, sagte Stephanie. »Er glaubt, dass niemand mitkriegt, was er so treibt. Dabei macht er sich sogar Aufzeichnungen darüber. Wirklich bescheuert, wenn du mich fragst, aber er tut es.«
»Wie hast du es geschafft, überhaupt so nahe an ihn heranzukommen?«
»Er ist ein Frauenheld. Und das habe ich ausgenutzt.«
»Er plaudert im Bett?«
»Und wie.«
Daleys Haus war eine viktorianische Villa. Anfangs hatte Stephanie sich gefragt, wie Daley sich die mit Sicherheit astronomischen Hypothekenraten leisten konnte, aber dann hatte sie erfahren, dass das Haus nur gemietet war. Ein Aufkleber in einem Erdgeschossfenster wies auf eine Alarmanlage hin. Es war mitten am Tag, Daley befand sich also garantiert im Weißen Haus, wo er mindestens achtzehn Stunden täglich verbrachte. Die konservative Presse wies gerne auf seine hervorragende Arbeitsmoral hin, doch Stephanie ließ sich nicht täuschen. Daley konnte es einfach nicht ertragen, außen vor zu sein, nicht einmal für einen Moment lang.
»Ich schlag dir einen Deal vor«, sagte Stephanie.
Cassiopeia lächelte verschmitzt. »Du möchtest, dass ich einbreche?«
»Dann kümmere ich mich um die Alarmanlage.«
Sabre gewöhnte sich allmählich an seine Persönlichkeit als Jimmy McCollum, doch der Name selbst blieb ihm fremd. Er hatte ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr verwendet, hielt es aber jetzt für ratsam, da Malone ihn vielleicht überprüfen lassen würde. Und wenn, würde er ihn tatsächlich im Armeeregister finden. Es gab eine Geburtsurkunde und sogar eine Sozialversicherungskarte, sonst aber keine Papiere mehr, da Sabre seinen Namen in Europa geändert hatte. Dominick Sabre , der Name klang nach Selbstbewusstsein und einem Hauch von Geheimnis. Die Leute, die ihn engagierten, kannten praktisch nur seinen Namen, und da war es wichtig, dass dieser das richtige Image vermittelte. Sabre hatte den Namen auf einem deutschen Friedhof entdeckt, an einem aristokratisch wirkenden Grab aus dem neunzehnten Jahrhundert.
Aber jetzt war er wieder Jimmy McCollum.
Seine Mutter hatte ihn James genannt, nach ihrem Vater, den er als Kind Big Daddy gerufen hatte – und der einer der wenigen Männer gewesen war, die ihm in seinem Leben mit Achtung begegnet waren. Seinen eigenen Vater hatte er nie kennen gelernt, und er glaubte auch nicht, dass seine Mutter gewusst hatte, mit welchem ihrer
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