Patria
habe diese Briefe sicherheitshalber gleich von drei verschiedenen Gelehrten übersetzen lassen. Ich möchte, dass Sie das hier lesen, und dann werden Sie hoffentlich verstehen, was ich meine.«
Mir ist bewusst, welche Geschicklichkeit es erfordert, den Stolzen von den Vorzügen der Demut zu überzeugen, die uns nicht durch menschliche Überheblichkeit, sondern durch göttliche Gnade erhebt. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Geist erhoben werde und die Botschaft klar verständlich sei durch die Worte Christi. Deine Weisheit, mit der du mir zu Beginn dieses Unternehmens rietest, hat sich als richtig erwiesen. Dieses Werk, an dem ich arbeite, wird die erste Übersetzung der alten Schriften in eine Sprache sein, die selbst der Ungebildetste versteht. Es erscheint nur folgerichtig, dass zwischen dem Alten und dem Neuen eine Verbindung bestehen muss. Wenn diese Schriften einander widersprechen, wäre das zu unserem eigenen Nachteil und würde nur die jüdische Philosophie, die ja schon viel länger existiert als unser Glaube, in einen höheren Rang erheben. Seit unserem letzten Briefwechsel habe ich mich durch weitere Teile des alten Textes gekämpft, doch meine Arbeit wird durch zahllose Doppeldeutigkeiten erschwert. Einmal mehr suche ich deine Führung in einem entscheidenden Punkt. Jerusalem ist die Heilige Stadt des alten Textes. Die Nennung des Ortes erfolgt häufig mit dem Namen yeruwshalayim, doch ist mir aufgefallen, dass nirgendwo in dem alten Text die Bezeichnung ìyr yeruwshalayim verwendet wird, die eindeutig die »Stadt Jerusalem« heißt. Ich will dir das Problem an einem Beispiel vorführen. Im hebräischen Text des Buchs der Könige sagt Jahwe zu Salomon: »In der Stadt/Hauptstadt, die ich mir in Jerusalem erwählt habe.« Und ein Stück weiter stellt er fest, »dass David in der Stadt in Jerusalem immerdar eine Leuchte habe – der Stadt, die ich mir erwählt habe, um meinen Namen dort niederzulegen.« Mein Bruder, verstehst du mein Dilemma? Der alte Text spricht von Jerusalem nicht als Stadt, sondern als Gebiet. Immer heißt es »die Stadt in Jerusalem« und niemals die Stadt Jerusalem. Im Buch Samuel ist dann tatsächlich ausdrücklich von einer Gegend die Rede. Der hebräische Text lautet wörtlich: »Der König zog mit seinen Männern nach Jerusalem gegen die Jebusiter, die in dieser Gegend wohnten.« Ich habe mich mit dieser Übersetzung abgekämpft und gehofft, einen Fehler zu entdecken, doch im Hebräischen ist es eindeutig. Das Wort yeruwshalayim, also Jerusalem, wird immer für eine Region gebraucht, die mehrere Städte umfasst, und niemals für eine bestimmte Stadt dieses Namens.
Hermann hörte auf vorzulesen und sah den Vizepräsidenten an. »Hieronymus hat diesen Brief an Augustinus geschrieben, während er das Alte Testament aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzte. Nun will ich Ihnen vorlesen, was Augustinus seinerseits Hieronymus schrieb.« Er nahm eine andere Übersetzung zur Hand.
Mein gelehrter Bruder, du bist ein schweres und glorreiches Werk angegangen. Wie wundervoll muss es sein, zu enthüllen, was die Schriftgelehrten vor so langer Zeit unter der göttlichen Führung des Erhabenen niedergeschrieben haben. Du weißt gewiss von den Kämpfen, die wir in dieser äußerst gefährlichen Zeit zu bestehen haben. Die Götter der Heiden verschwinden. Die Botschaft von Christus findet immer neue Anhänger. Seine Worte über Friede, Gnade und Liebe klingen wahr. Viele Menschen entdecken unsere neue Botschaft einfach deshalb, weil sie zugänglich wird. Das macht deine Bemühungen, die alten Worte wieder zum Leben zu erwecken, umso wichtiger. Deine Briefe haben das Problem, mit dem du zu kämpfen hast, klargemacht. Doch die Zukunft dieser Kirche und unseres Gottes liegt bei uns. Die alte Botschaft an die neue anzugleichen ist keine Sünde. Wie du bereits erwähntest, sind die Worte oft doppeldeutig, wer also soll hier mit Sicherheit sagen können, welche Bedeutung die richtige ist? Gewiss nicht du oder ich. Du hast mich um Führung gebeten, und ich will sie dir geben. Achte darauf, dass die alten Worte den neuen entsprechen. Denn wenn es einen Widerspruch zwischen Alt und Neu gibt, laufen wir Gefahr, die Gläubigen zu verwirren, und nähren die Flamme der Unzufriedenheit, die unsere zahlreichen Gegner am Brennen halten. Du hast eine große Aufgabe in Angriff genommen. Es ist von großer Bedeutung, dass bald alle die alten Worte lesen können. Gelehrte und Rabbis
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