Patria
viel diskutiert, aber stellen Sie sich einmal vor, wie es mit der Glaubwürdigkeit der Juden aussähe, wenn die Unrichtigkeit der Tora wirklich bewiesen würde. Und versuchen Sie, sich einmal auszumalen, welche Reaktionen das bei den Nachbarstaaten Israels hervorrufen würde.«
Er meinte seine Worte ernst. Es war bisher niemals gelungen, die jüdische Kultur endgültig auszulöschen. Dabei hatten es viele versucht: die Assyrer, die Babylonier, die Römer, die Türken und die Inquisition. Selbst Martin Luther hatte die Juden verabscheut. Doch die sogenannten Kinder Gottes hatten sich standhaft der Unterwerfung verweigert. Hitler hatte die Juden wahrscheinlich am brutalsten verfolgt, doch die Welt hatte den Juden nach dem Holocaust ihr biblisches Heimatland übergeben.
»Was haben Sie eigentlich gegen Israel?«, fragte eine Frau, die Mitglied des Ausschusses war. »Ich habe von Anfang an bezweifelt, dass es Sinn macht, sich mit dieser Sache überhaupt zu befassen.«
Die Frau hatte tatsächlich zusammen mit zwei anderen Mitgliedern Kritik an Hermanns Plänen geäußert. Da sie eindeutig in der Minderheit und relativ harmlos waren, hatte er ihren Widerspruch zugelassen, um dem ganzen Prozess einen Anschein von Demokratie zu verleihen.
»Hier geht es um weit mehr als nur Israel.« Er sah, dass ihm nun alle aufmerksam zuhörten. Sogar seine Tochter sah schweigend zu ihm herüber. »Wenn wir unsere Karten geschickt ausspielen, sollte es uns gelingen, sowohl Israel als auch Saudi-Arabien zu destabilisieren. Diese Sache betrifft diese beiden Staaten gleichermaßen. Wenn es uns gelingt, in beiden Staaten das richtige Maß an Unruhe zu schüren, sie eine Weile zu kontrollieren und dann im richtigen Moment für ihre Eskalation zu sorgen, dürfte es uns gelingen, beide Regierungen zu stürzen.« Er sah den Vorsitzenden des Politischen Ausschusses an. »Haben Sie besprochen, wie unsere Mitglieder diesen Prozess ausnutzen können, wenn wir ihn einmal in Gang gesetzt haben?«
Der alte Herr nickte. Er war schon seit Jahrzehnten mit Hermann befreundet und stand ganz oben auf der Liste für einen Platz im Vorstandszirkel. »Das von uns geplante Szenario beruht darauf, dass alle, Palästinenser, Jordanier, Syrer und Ägypter, hinter dem her sein werden, was wir ihnen zu bieten haben …«
»Dazu wird es niemals kommen«, entgegnete ein Vertreter der Minderheitsmeinung.
»Aber wer hätte vor hundert Jahren jemals geglaubt, dass die Weltgemeinschaft nahezu eine Million Araber vertreiben würde, um den Juden eine Heimat zu verschaffen?«, hielt Hermann dagegen. »Damals waren auch viele Leute im Nahen Osten der Meinung, dass es niemals dazu kommen würde.« Seine Worte klangen scharf, doch dann milderte er seinen Tonfall. »Zumindest können wir erreichen, dass dieser idiotische Grenzzaun, mit dem die Israelis jetzt ihre Grenzen behüten, abgerissen wird, und wir können allen Gebietsansprüchen entgegentreten, die sie jemals aufgrund der alten Texte erhoben haben. Die Selbstgewissheit der Zionisten würde Schaden leiden, was die arabischen Nachbarstaaten zu einer Gemeinschaftsaktion anstacheln könnte. Den Iran, der Israel am liebsten vom Erdboden verschwinden lassen würde, habe ich noch gar nicht erwähnt. Alle würden das, was wir zu bieten haben, als Segen ansehen.«
»Und was könnte derart wirkungsvoll sein?«
»Wissen.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Alles soll darauf basieren, dass wir etwas in Erfahrung bringen ?«
Hermann hatte nicht mit einer offenen Debatte gerechnet, doch er nutzte die Gelegenheit. Der um die Frühstückstafel versammelte Ausschuss hatte laut Ordensstatut die Aufgabe, die politischen Ziele der Gruppe zu formulieren, und zwar in enger Abstimmung mit den Initiativen des Wirtschaftsausschusses, da für den Orden Politik und ökonomischer Profit untrennbar zusammengehörten. Der Wirtschaftsausschuss hatte eine Zielvereinbarung formuliert, nach welcher der Gewinn der Ordensmitglieder, die in größerem Umfang im Nahen Osten investieren wollten, um mindestens dreißig Prozent gesteigert werden sollte. Man hatte eine Studie durchgeführt, bei der die Entwicklung eines festgesetzten Investitionskapitals auf dem Hintergrund der aktuellen ökonomischen und politischen Bedingungen in verschiedenen Szenarien simuliert worden war, und das Ziel einer dreißigprozentigen Gewinnsteigerung war nach den Ergebnissen dieser Studie durchaus realistisch erschienen. Doch die Märkte im Nahen Osten blieben selbst
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