Patterson James
»Und
wie du weißt, lebt unser Muslim hier nach den strengen Regeln
des Korans.«
Nordeschenko lächelte. »In Ordnung.« Dann hob er die Zeitung noch einmal an. Darunter befand sich eine andere
Zeichnung, die Nordeschenko gleich nach dem ersten Tag der
Verhandlung aus der Zeitung geschnitten hatte.
Beide Mörder starrten darauf. Langsam wurde ihnen die
Botschaft klar.
»Wollt ihr jetzt was trinken?«, fragte Nordeschenko.
Reichardts Blick sagte: Wahnsinn. »Das hier ist Amerika,
Remi, nicht Tschetschenien.«
»Wo sonst könnte man besser neues Land erobern?«
»Ouzo«, bestellte Reichardt bei der Kellnerin.
»Drei«, rief Nezzi mit einem Achselzucken.
Die Gläser wurden gebracht, und unter dem Grölen der Fuß
ballbegeisterten kippten die drei Männer ihren Ouzo und
wischten sich übers Kinn.
Schließlich begann der Südafrikaner zu lachen. »Weißt du, es
stimmt, was man über dich sagt, Remi: Du könntest verdammt
gefährlich werden, wenn du mal ausrastest.«
»Darf ich das als ein Ja auffassen? Ihr seid dabei?«, wollte
Nordeschenko wissen.
»Natürlich sind wir dabei, Remi. Sonst ist ja nichts los hier in
der Stadt.«
»Noch drei«, rief Nordeschenko der Kellnerin auf Russisch zu.
Dann griff er zur Zeitung und ließ sie mitsamt der Zeichnung
der Geschworenen unter seinem Arm verschwinden. Wenn diese
dummen Säcke ihren Prozess wollten, würden sie einen bekommen.
Sie wussten nur noch nicht, welcher Art dieser Prozess sein
würde.
24
An diesem Morgen saß niemand im Zeugenstand. Die Presse
war nach draußen geschickt, die Jury nicht aus ihrem Zimmer
gelassen worden. Richterin Seiderman betrat den Gerichtssaal
und warf dem Angeklagten in der zweiten Reihe einen wütenden
Blick zu. »Mr. Cavello, Sie, Ihr Anwalt und der Staatsanwalt
kommen in mein Büro. Sofort.«
Als Richterin Seiderman den Saal wieder verließ, bemerkte sie
mich. »Agent Pellisante, ich möchte, dass Sie uns Gesellschaft
leisten.«
Unsere Gruppe zwängte sich durch die Holztür rechts im
Gerichtssaal. Richterin Seiderman setzte sich mit einem vor Wut
funkelnden Blick, den ich so noch nie an ihr gesehen hatte,
hinter ihren Schreibtisch.
Und sie funkelte direkt den Angeklagten an.
»Mr. Cavello, wenn Sie glauben, ich würde mich Einschüchterungen oder Ihren Mafia-Taktiken beugen, haben Sie die falsche
Richterin und den falschen Gerichtssaal ausgewählt. Habe ich
mich jetzt klar ausgedrückt?«
»Vollkommen, Euer Ehren.« Cavello stand vor ihr und blickte
ihr direkt in die Augen.
»Aber was ich vor allem nicht hinnehme«, auch Richterin
Seiderman erhob sich, »ist ein Angeklagter, der glaubt, er habe
die Macht, mit dem Strafrechtssystem zu spielen und seinen
Ablauf zu stören.«
»Könnten Euer Ehren erklären, wovon Sie überhaupt reden?«,
fragte Kaskel offenbar verwirrt.
»Ihr Mandant weiß ganz genau, wovon ich rede, Mr. Kaskel«,
erwiderte die Richterin, die ihre Augen kein einziges Mal von
Cavellos vergnügtem Blick abwandte.
Sie griff in eine Schublade, zog die Daily News heraus und
warf sie auf den Schreibtisch. Die Zeichnung von Cavello, als er
im Gerichtssaal zu Ralphie geschaut hatte. TÖTENDE BLICKE
IM GERICHTSSAAL.
»Das lag gestern Abend in meinem Bett. In meinem Bett,
Mr. Cavello! Unter meiner Bettdecke. Die Abendausgabe kam
gegen sieben Uhr raus. Mein Haus war abgeschlossen und
alarmgesichert. Nach vier Uhr war niemand mehr dort gewesen.
Haben Sie mehr als eine bloße Vermutung, wie das dorthin
gekommen ist, Mr. Cavello?«
»Ich bin in diesen Dingen kein Experte, Euer Ehren.« Dominic
Cavello zuckte selbstgefällig mit den Schultern. »Aber vielleicht
sollten Sie das mit der Firma besprechen, die Ihnen die Alarmanlage eingebaut hat. Oder mit Ihrem Mann. Ich jedenfalls habe
ein ziemlich gutes Alibi. Ich war da drüben im Gefängnis.«
»Ich habe Ihnen gesagt«, Miriam Seiderman nahm die Brille
ab, »dieser Prozess wird nicht durch Einschüchterung unterbrochen.«
Das musste ich ihr hoch anrechnen – sie begab sich auf Augenhöhe mit Cavello. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen.
»Dieses Gericht hat Ihnen die Gelegenheit gegeben, den Prozess
in der Öffentlichkeit zu führen, Mr. Cavello.«
»Dieses Gericht stellt Vermutungen an, die es möglicherweise
nicht belegen kann«, mischte sich Hy Kaskel ein. »Mr. Cavello
hat sich an alle Regeln und Abmachungen gehalten, denen beide
Seiten in den Vorverhandlungen zugestimmt haben. Sie können
nicht mit dem Finger auf ihn zeigen.«
»Und trotzdem zeige ich mit dem
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