Patterson James
Einstieg bereit.«
Ich wartete an Flugsteig 77 und schaute mich suchend um.
Mein Herz raste. Ein Blick auf meine Uhr. Ich musste an Bord,
ob mit oder ohne Andie.
Wo steckte sie?
Vielleicht hatte sie es sich anders überlegt. Das wäre in Ordnung, sagte ich mir. Es wäre schlau von ihr, sich aus der Sache
rauszuhalten. Es wäre schlau von ihr, mich das tun zu lassen,
was getan werden musste.
»Alle Sitzreihen, Delta Flug 8976 nach Tel Aviv«, meldete die
Stimme im Lautsprecher.
Ich hatte keinen konkreten Plan, hatte keine Ahnung, was ich
nach der Landung tun sollte. Woher auch? Ich wusste lediglich,
dass ich Kolya Remlikov finden und dazu bringen wollte, mir zu
verraten, wo Cavello steckte. Ohne professionelle Höflichkeit,
ohne Genfer Konvention. Ich würde ihm die Mündung meiner
Waffe in den Mund stecken und den Hahn spannen. Ich würde
ihm eine Kugel durch die Kniescheibe jagen, wenn es sein
müsste. Er würde reden. Die Frage war nur: Und dann?
Eine schwarz gekleidete chassidische Familie eilte erleichtert
an mir vorbei zum Einstieg. Sie schienen die Letzten zu sein. Ich
blickte den Gang hinunter. Nichts. Ich hängte mir das Handgepäck über die Schulter, um an Bord zu gehen.
Es war doch besser so, oder?
Dann sah ich sie. Sie kam auf mich zugerannt, war immer
noch ein gutes Stück entfernt.
Ich war erleichtert. Wem hatte ich eigentlich was vormachen
wollen? Ich wünschte mir doch, dass sie mitkam.
Andie trug eine rote Lederjacke, ihr Haar steckte unter einer
Kappe der Knicks – Jarrods Kappe –, über ihrer Schulter hing
eine Reisetasche. Sie war unglaublich schön. Und tapfer. Auf
einmal war mir klar, dass ich diese Sache nicht hätte alleine
durchziehen können. Ich wollte sie bei mir haben. Sie gab mir
das Gefühl, dass es richtig war, was ich tat.
»Eins lass uns klarstellen«, versuchte ich einen Witz zu reißen,
als sie mich erreicht hatte. »Wenn das hier der Altar wäre,
würden wir uns jetzt die Kosten für die Hochzeitsfeier zurückerstatten lassen.«
»Tut mir leid, Nick. Ich musste mich noch verabschieden. Von
Jarrod.«
Das brachte mich schnell zum Schweigen.
Sie schüttelte reumütig den Kopf. »Eigentlich saß ich die letzte
Stunde am Terminal neben dem Burger King.«
»Um es dir noch mal zu überlegen?«
»Ich weiß nicht, vielleicht. Aber über eins bin ich mir ganz
sicher. Ich liebe dich, Nick.«
Ich stand da und blickte in ihre glänzenden Augen. Ich nickte
und legte sanft meine Hand an ihre Wange. »Genau das habe ich
auch gedacht. Dass ich dich liebe. Dass ich ohne dich nicht ins
Flugzeug steigen könnte.«
»Mir war klar, dass du das neulich abends sagen wolltest, als
du so rumgestottert hast.«
Der Lautsprecher unterbrach uns – der letzte Aufruf, an Bord
zu gehen. Wir standen noch da, während die Angestellten
begannen, den Schalter zu schließen.
»Und, was machen wir jetzt?« Ich zuckte mit den Schultern
und trat unsicher von einem Bein aufs andere.
Andie kam mit ernstem Blick einen Schritt auf mich zu und
ergriff meine Hand.
»Einsteigen. Wir verreisen gemeinsam, Nick. Ist das nicht
aufregend?«
TEIL VIER
HAIFA
93
Wäre ich mir meiner Liebe zu Andie DeGrasse nicht sicher
gewesen, hätte der Flug nach Israel alle Zweifel ausgeräumt. Die
meiste Zeit saßen wir Händchen haltend nebeneinander. Ich
spürte einen stetigen Fluss von ihr zu mir. Sie schlief, den Kopf
an meine Schulter gelehnt. Sie stärkte mir den Rücken. Sie gab
milden Mut, das zu tun, was ich für das Richtige hielt.
Unseren ersten Abend in Tel Aviv verbrachten wir beim Essen
in einem ruhigen Café auf der Shenkin Street, wo wir gegen den
Jetlag ankämpften. In unserem Hotelzimmer schliefen wir
miteinander und versuchten, zumindest für einen Abend, zu
vergessen, warum wir hier waren. Am nächsten Morgen wollten
wir nach Haifa fahren.
Die Fahrt dauerte nur etwa eineinhalb Stunden. Entlang der
Küste kamen wir durch mehrere Orte hindurch. Aber die
Schönheit von Haifa überraschte mich. Die Stadt erstreckte sich
malerisch am Abhang des Karmelgebirges. Ganz unten befanden sich der Hafen und die Altstadt mit ihren antiken, von
Kreuzfahrern errichteten Steinmauern. Auf halber Höhe lag das
geschäftige Zentrum mit den Bäckereien, Basaren und modernen Geschäften, und darüber wohnten die Reichen der Stadt.
Dort oben standen moderne Hotels, feudale Häuser mit traumhaftem Blick übers Mittelmeer und schicke Restaurants und
Geschäfte auf Prachtstraßen.
Auch Kolya Remlikov wohnte hier oben.
Natürlich
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