Patterson James
Washington aus.«
»Und von dort aus wohin?«, wollte ich wissen.
»Mehr weiß ich auch nicht. Tut mir leid.« Er zuckte mit den
Schultern. »Wahrscheinlich ist er unter einem anderen Namen
weitergereist.«
»Danke, Charles.« Ich tippte ihm auf die Brust. »Hier.« Ich
reichte ihm eine Einkaufstasche mit den Unterlagen, die ich von
ihm erhalten hatte. »Ich werde sie nicht mehr brauchen.«
Er stellte die Tasche zwischen seine Beine. »Was, zum Teufel,
hast du vor, Nick? Du weißt, ich habe das aus Freundschaft
getan. Mit allen anderen Kollegen säße ich jetzt in einem FBIBüro. Wer ist der Kerl?«
»Sagen wir, ich strebe einen Wechsel meiner Karriere an. Ich
sage dir später, ob es gut oder schlecht war.«
Harpering zog die Nase hoch und ergab sich seinem Schicksal.
»Ich verstehe, was du mit der Rente meinst. Dann kann ich dir
genauso gut helfen, Nick – egal, wobei.«
»Was willst du damit sagen?«
Er nahm zwei weitere Blätter aus seinem Koffer und schob sie
zur Akte, »Kollichs Visumsantrag. In Erinnerung alter Zeiten.
Und nebenbei bemerkt, er wurde nicht in Tallinn in Estland
gestellt, Nick, sondern in Tel Aviv.«
Ich blinzelte. »Jesses.«
»Und es kommt noch besser.« Harpering ließ die Akte auf
meinen Schoß fallen. »Natürlich nur für den Fall, dass du
versuchst, ihn zu finden. Viel Glück, Nick.« Harpering erhob
sich. »Gib dem Schwein von mir einen Tritt in die Eier.«
Ich blickte auf meine neue Akte hinab. Auf dem Visumsantrag
stand eine Adresse. Yehudi Street 225.
Haifa.
Richard Nordeschenko dachte auf der Terrasse mit seinem Sohn
über einen Schachzug nach, als an der Haustür geklingelt wurde.
Weil Mira beim Einkaufen war, bat er Pavel, an die Tür zu
gehen.
Nordeschenko genoss sein neues Leben. Er hatte sein Mobiltelefon ins Meer geworfen und den zwei Kontakten, denen er noch
vertraute, gesagt, er arbeite nicht mehr. Endgültig.
Jeden Tag ging er im Mittelmeer schwimmen. Er holte seinen
Sohn von der Schule ab und brachte ihn zum Schachspielen,
abends führte er Mira in die schicken Läden und Cafés im
Karmel-Center aus. Er versuchte zu verdrängen, dass er erst vor
ein paar Wochen ungestraft bei einem Verbrechen davongekommen war, das die Titelseiten aller Zeitungen gefüllt hatte.
»Vater! Da ist ein Mann!«
Langsam stemmte sich Nordeschenko aus seinem Sessel und
ging ins Wohnzimmer. Es hätte genauso gut ein Mossad-Agent
sein können, den er dort stehen sah.
»Hallo, Remi.«
»Was machst du denn hier?« Nordeschenko schnappte nach
Luft und wurde aschfahl im Gesicht. Reichardt war zu ihm nach
Hause gekommen.
»Ich reise umher, Remi. Ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen. Die Gastfreundschaft alter Freunde ausnutzen.«
Er wandte sich an Pavel. »Geh zurück zum Schachbrett, mein
Sohn. Ich habe meinen Zug gemacht.«
Der Junge zögerte.
»Geh, habe ich gesagt«, wies Nordeschenko ihn in schärferem
Ton an.
Pavel schluckte. »Ja, Vater.«
Als der Junge gegangen war, wandte sich Nordeschenko
wieder dem Mann an der Tür zu. Er spürte, wie seine Anspannung zunahm. »Bist du wahnsinnig? Komm rein, schnell.« Er
blickte über Reichardts Schulter auf die Straße. »Bist du sicher,
dass dir niemand gefolgt ist?«
»Entspann dich, Remi«, beruhigte ihn Reichardt. »Ich bin über
drei Länder eingereist. Ich bin schon so lange im Geschäft wie
du. Du hast einen hübschen Sohn.«
»Hier heiße ich nicht Remi.« Nordeschenko blickte ihn streng
an. »Ich heiße Richard.«
Reichardt trat ein und stieß angesichts des sensationellen
Ausblicks einen bewundernden Pfiff aus. »Das Geschäft muss
gut laufen, Richard.«
»Das Geschäft ist beendet«, meinte Nordeschenko. »Und
damit eins schon mal klar ist: Meine Frau und mein Sohn …«
»Keine Sorge«, wimmelte Reichardt ab. »Ich werde nicht zur
Last fallen. Du hast gesagt, dies hier sei der ruhigste Ort der
Welt. Es werden nur ein paar Tage sein. Bis sich die Welt
beruhigt hat.«
Das war etwas, was Nordeschenko nicht gefiel. Es verletzte
alle vereinbarten Regeln. Aber hatte er eine Wahl? Es gab keine
Möglichkeit, ihn und Reichardt mit den USA oder auch miteinander in Verbindung zu bringen.
»Also gut«, räumte Nordeschenko ein. »Nur ein paar Tage.«
»Danke. Allerdings hast du eine Sache missverstanden, Remi.«
»Und die wäre?«, fragte Nordeschenko und schnappte sich
eine von Reichardts Taschen.
»Unser Geschäft.« Reichardt seufzte. »Es ist nie zu Ende.«
Der Lautsprecher knackte. »Delta Flug 8976 nach Tel Aviv –
das Flugzeug steht zum
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