Patterson James
hier tatsächlich reden.«
»Soll heißen?«
»In der Welt nach dem 11. September.« Bushnagel zuckte mit
den Schultern. »Wollen die Israelis was von uns? Sind andere
Regierungen beteiligt? Sieh mal, Nick, ich bin doch nicht zum
Volltrottel mutiert, nachdem ich aus dem Staatsdienst ausgeschieden bin. Ich weiß, hier geht’s nicht um Steuerhinterziehung. Sind die Beweise stichhaltig, gestattet man dir sicher, ihn
zu verhören. Aber wie und wie lange, das steht in den Sternen.
Wie dringend ist es denn?«
»Äußerst dringend.« Ich zuckte bedrückt mit den Schultern.
»Und es ist inoffiziell.«
»Das ist es immer. Du musst aber auch die staatliche Seite mit
einkalkulieren. Hat die Sache einen Vorteil für die Israelis?
Zielen sie auf einen Handel mit uns ab? Wollen sie mit den
Russen oder Franzosen verhandeln, bevor sie ihn ausliefern? Die
Angelegenheit ist heikel, Nick – und ich glaube nicht, dass du
speziell dieses Fach besonders gut beherrschst.«
Ich nickte.
»Angenommen, du kriegst ihn zu fassen. Es sind eine Menge
Leute daran beteiligt. Aber was als Nächstes passiert, weiß
niemand. Es besteht immer die Chance, dass getrödelt wird und
der Kerl entwischt. Dann siehst du ihn nie wieder.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das Risiko kann ich nicht eingehen.«
»Ich verstehe.« Bushnagel nickte. »Das Problem ist, eine
andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»In der realen Welt, ja.« Ich nickte und knüllte das Hotdogpapier zusammen.
Sicher überlegte Steve, warum ich zu ihm gekommen war. Er
war schon vor langer Zeit aus dem Staatsdienst ausgeschieden,
und es gab eine Menge Anwälte der Regierung, die mit einem
solchen Fall umzugehen wussten. »Nur so am Rande gefragt,
Nick« – er blickte mich forschend an –, »gibt es denn noch eine
andere als die reale Welt?«
89
Ich fuhr mit dem Fingernagel über Andies Rücken nach unten.
»Nicht.« Sie erschauderte und rutschte nah zu mir heran. Ich
hatte die ganze Nacht nachgedacht. Seit meinem Gespräch mit
Steve Bushnagel. In der realen Welt, das wusste ich, hätte ich
Remlikov verhaftet und das Verhör geleitet. Er hätte Cavello
verraten, den ich mir geschnappt hätte. Das wäre meine Aufgabe
gewesen. Allerdings war die »reale Welt« in letzter Zeit viel
komplizierter geworden.
Wieder ließ ich meine Finger über Andies Rücken gleiten.
Diesmal drehte sie sich zu mir um und stützte sich auf einem
Arm ab. Sie merkte, dass etwas nicht stimmte. »Was ist denn
los?«
»Könnte sein, dass ich eine Spur habe«, begann ich. »Zu dem
Mann, der den Bus in die Luft gejagt hat.«
Andie setzte sich auf. Die Müdigkeit war aus ihren Augen
verschwunden. »Wovon redest du, Nick?«
»Ich zeig’s dir.«
Ich griff zu dem Schnellhefter, der auf dem Nachttisch lag,
und breitete mehrere Schwarzweißfotos auf der Bettdecke aus:
die Fotos vom Heimatschutz von Kolya Remlikov und diejenigen, die mir Yuri Plakhov geschickt hatte.
»Er heißt Remlikov«, erklärte ich. »Er ist Russe und ein
bezahlter Mörder. Zudem ein besonders guter. Er hat einen sehr
blutigen Lebenslauf. Ich glaube, Cavello ist über die Russenmafia an ihn geraten, und er lebt wahrscheinlich in Israel.«
Andie riss die Augen weit auf. Ich legte das Foto daneben, das
Chummie in seinem Labor manipuliert hatte und den Mann im
Fahrstuhl ohne Verkleidung zeigte. Andies Augen wurden noch
größer. Sie nahm das Bild in die Hand und betrachtete lange das
kantige, dunkelhäutige Gesicht.
»Wieso glaubst du, er wäre derjenige, der den Bus in die Luft
gejagt hat?«
»Wegen dem hier.« Ich zog die beiden letzten Fotos aus der
Mappe. Das erste war dasjenige, das ich Senil gegeben hatte.
Aber das zweite hatte ich nach stundenlanger Suche in den
Aufnahmen der Sicherheitskameras im Gericht entdeckt. Die
Aufnahmen stammten nicht vom Tage der Flucht, sondern
waren einige Zeit vorher aufgenommen worden.
Während Cavellos erstem Prozess.
»Lass die Koteletten und die Brille weg.« Ich legte ein aufbereitetes Bild daneben.
»O mein Gott!« Mit zusammengepressten Lippen griff sie
danach. Sie wirkte verletzt und verblüfft. Dann füllten sich ihre
Augen mit Tränen.
»Warum hast du sie mir vorenthalten?«, fragte sie, das Gesicht
von mir abgewandt.
»Habe ich nicht. Ich habe diese Fotos erst heute bekommen.«
»Und was passiert jetzt? Gibst du sie deinen Leuten?«, fragte
sie aufgeregt. »Sie werden ihn sich schnappen? So wird’s doch
laufen, oder?«
»Ich weiß nicht. Könnte sein, dass es nicht so einfach ist. Man
muss
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