Patterson James
war Remlikov in Haifa unter einem anderen Namen
gemeldet, der aber keine Rolle spielte. Wir brachten unser
Gepäck ins Dan Panorama Hotel. Der Blick aus dem vierundzwanzigsten Stock war umwerfend.
»Es ist wunderschön«, schwärmte Andie und schaute aus dem
Fenster.
»Das ist es.« Ich nickte und legte meine Hände auf ihre Schultern. »Denk aber daran, warum wir hier sind.«
»Aber deswegen können wir uns doch die Zeit gönnen, um im
Mittelmeer zu schwimmen.«
»Geh ruhig.« Ich nahm ein paar Sachen aus meinem Koffer:
ein Fernglas, eine Landkarte, meine Waffe, die registriert war.
»Ich bin bald wieder da.«
»Nick.« Andie drehte sich mit besorgtem Blick zu mir. »Tu
nichts ohne mich. Versprochen?«
»Immer mit der Ruhe.« Ich lächelte. »Ich gehe mich nur
umschauen. Versprochen.«
Ich hatte einen Ford gemietet, der vor dem Hotel stand, und
setzte mich ans Steuer, wo ich die Karte wieder zusammenfaltete. Ich hatte mir diese Route so oft im Voraus angeschaut und
kannte den Weg schon auswendig.
Yehudi Street 225.
Ich fuhr den Berg auf dem Yefe Nof weiter hinauf, einem
kleinen Weg, der am Hotel vorbeiführte. Dort oben lag das
Karmel-Center – Parks, Museen, schicke Cafés. Von hier aus
wand sich die Straße in immer enger werdenden Kurven mit
Blick aufs Meer hinauf. Ich bog auf die Hayem, dann an der
Vashar Street ab. Hier oben gab es teure Häuser mit spektakulärem Ausblick. Aber ich fuhr noch höher. Die Straße klebte an
der felsigen Seite des Karmelgebirges. Das leuchtende Mittelmeer lag über dreihundert Meter unter mir.
Schließlich fand ich die Yehudi Street. Es war eine ruhige
Wohnstraße mit umwerfendem Blick. Die Nummer 225, ein
weißes, zeitgenössisches Flachdachhaus mit gepflasterter
Einfahrt, lag weiter hinten. Wut stieg wieder in mir auf, als ich
daran vorbeifuhr. Hinter der nächsten Kurve blieb ich an einer
Stelle stehen, an der ich mich unbeobachtet glaubte. Dort stieg
ich aus und blickte durchs Fernglas zum Haus zurück.
Das Haus war teuer. Für Mord bekommt man immer ein
hübsches Sümmchen bezahlt. Es war keine Menschenseele zu
sehen, weder vor noch im Haus. In der Einfahrt stand ein blauer
Minivan, ein europäisches Modell.
Nachdem ich das Grundstück ein paar Minuten beobachtet
hatte, war mir klar, dass ich besser weiterfahren sollte, weil in
diesem reichen Viertel wahrscheinlich Polizisten ihre Runden
drehten. Ich konnte zwar immer behaupten, ich wäre wegen der
Aussicht hier, aber es war nicht gut, allzu lange hier herumzuhängen.
Plötzlich wurde das Garagentor geöffnet.
Ein weißer Audi fuhr rückwärts heraus. Ich holte ihn mit dem
Fernglas heran. Die Scheiben waren getönt, aber die auf der
Fahrerseite war nach unten gekurbelt.
Er war es! Remlikov! Er trug eine Sonnenbrille, doch ich
erkannte ihn sofort. Mein Herz machte einen Satz, als hätte es
einen Elektroschock verpasst bekommen.
Er saß nicht alleine im Wagen. Ich schwenkte das Fernglas ein
Stück zur Seite. Es war ein Junge. Auf dem Beifahrersitz. Er sah
aus wie zehn, vielleicht etwas älter. Als der Audi in der Einfahrt
wendete, hatte ich einen perfekten Blick auf Remlikov.
Jetzt habe ich dich, Remlikov, du Schwein!
Der Audi bog auf die Yehudi Street und fuhr davon.
Ich blieb noch einige Minuten stehen und machte mir Notizen
zum Haus. Ich wollte ihm noch nicht folgen. Das hatte ich
Andie versprochen. Ich stieg wieder in meinen Wagen und fuhr
ebenfalls los.
Als ich am Haus vorbeikam, hielt ich kurz vor dem Briefkasten an und zog die Klappe auf. Rasch siebte ich die Post durch
und schnappte mir die unauffälligste Werbesendung, die ich
finden konnte. Auch in Israel wurde man mit Werbung versorgt.
Als ich ins Hotel zurückkam, lag Andie auf dem Bett, wo sie
gerade ein Nickerchen machte. Sie drehte sich zu mir. »Was
hast du herausgefunden?«
»Ich habe mir das Haus angesehen. Es liegt ganz in der Nähe.
Ich zeige es dir morgen.«
Andie setzte sich auf und nickte etwas zögernd.
»Und das hier.« Ich warf den Brief zu ihr aufs Bett, ein Werbeschreiben eines örtlichen Teppichreinigers. »Ein Andenken.
Er heißt nicht Remlikov oder Kollich.
Er heißt Richard Nordeschenko.«
94
»Schau!« Nick deutete auf das moderne Haus mit den vielen
Fenstern hundert Meter unter ihnen. »Das ist er! Das ist Remlikov.«
Andie spähte durchs Fernglas und entdeckte den Mann – dünn,
dunkel, nicht allzu groß, nicht allzu Furcht einflößend. Wut
schnürte ihr die Brust zu.
Sie hatte nicht gewusst,
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