Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Kindern Angst einzujagen. Sogar die Typen von den Straßengangs haben Schiss vor Chucky. Junge Mütter und Großmütter haben auf den Spielplätzen Handzettel verteilt. In meinen Geschäften auch. Hab nichts dagegen. Traurige Geschichten über vermisste Kinder. Verbrecher, die Kindern etwas antun, sind die schlimmsten. Finden Sie nicht auch, Alex? Oder sehen Sie das anders?«
»Nein, ich bin ganz Ihrer Meinung. Deshalb sind Sampson und ich heute hier.«
Ich wusste schon eine Menge über den Kinderschänder mit dem Spitznamen Schneid-ihn-ab-Chucky. Unbestätigten Gerüchten zufolge schnitt er Kindern, die in den hiesigen Wohnvierteln lebten, die Genitalien ab. Kleinen Jungs und Mädchen. Chucky bevorzugte kein bestimmtes Geschlecht. Hauptsache, es waren Kinder. Vielleicht stimmte das alles, vielleicht auch nicht. Doch eins stand fest: dass jemand mehrere Kinder aus den Siedlungen Northfield und Southview Terrace, hier in der Nähe, belästigt hatte. Andere Kinder waren spurlos verschwunden.
Die örtliche Polizei verfügte nicht über die Möglichkeiten, einen schlagkräftigen Krisenstab zu bilden, um nach Chucky zu fahnden – falls Chucky existierte . Ich war beim Chief of Detectives mehrmals an die Decke gegangen, aber nichts war geschehen. In Southeast schienen niemals zusätzliche Beamte zur Verfügung zu stehen. Es war so beschissen ungerecht, dass ich vor Wut beinahe den Verstand verlor.
»Hört sich an wie ‘ne neue ›Mission impossible‹«, sagte Sampson, als wir die G Street hinuntergingen, in Richtung Kaserne der Marineinfanterie. »Wir sind auf uns allein gestellt. Wir sollen eine Chimäre fangen.«
»Netter Vergleich«, meinte ich und musste lächeln über Mount John, seine wilden Fantasien und seinen Verstand .
»Hab mir schon gedacht, dass es dir gefällt, weil du ein Mann mit Bildung und Kultur bist.«
Wir tranken dampfenden Kräutertee aus Jimmies Restaurant. Streife gehen. Mit unseren hochgeschlagenen Kragen sahen wir tatsächlich wie knüppelharte Cops aus. Große böse Bullen. Ich wollte, dass die Menschen sahen, dass wir in der Gegend unterwegs waren.
»Keine richtigen Spuren, keine Anhaltspunkte, keine Unterstützung«, sagte ich und pflichtete Sampsons Einschätzung der gegenwärtigen Situation voll und ganz bei. »Nehmen wir den Auftrag trotzdem an?«
»Machen wir doch immer«, sagte er. Seine Augen waren plötzlich hart und stumpf, dass ich es beinahe mit der Angst bekam. »Sei vorsichtig, Chucky. Pass verdammt gut auf. Jetzt sind wir hinter deinem armseligen berühmten Arsch her.«
»Deinem Chimärenarsch.«
»Genau, Kleiner. Genau.«
6.
Es war wirklich schön, wieder mit Sampson auf den Straßen in Southeast zu arbeiten. Es war immer schön, selbst bei einem Horror-Show-Mordfall, bei dem mein Blut beinahe übergekocht wäre. Unser letzter großer Fall hatte sich in North Carolina und Kalifornien abgespielt, aber Sampson war nur zu Beginn und zum Schluss dabei gewesen. Wir sind dicke Freunde, schon seit wir neun oder zehn Jahre alt waren. Wir sind in derselben Gegend aufgewachsen. Ich habe manchmal das Gefühl, als kämen wir uns mit jedem Jahr näher. Nein, wir kommen uns näher.
»Was ist unser Hauptziel hier, Kleiner?«, fragte Sampson, als wir weiter über die G Street gingen. Sampson trug den schwarzen Ledermantel, eine coole Wayfarer-Sonnenbrille und eine glänzende schwarze Bandanna. Er konnte es sich leisten, so herumzulaufen, ohne lächerlich auszusehen. »Woher wissen wir, ob wir heute gute Arbeit geleistet haben?«
»Wir geben bekannt, dass wir persönlich den Truth-SchoolKiller suchen«, sagte ich. »Wir zeigen hier überall unsere hübschen Gesichter und geben den Familien ein Gefühl der Sicherheit, so gut wir können.«
»Genau. Und dann schnappen wir uns Schneid-ihn-abChucky und schneiden ihm den Pimmel ab«, meinte Sampson und grinste wie der große böse Wolf, der er durchaus sein kann. »Das war kein Scherz.«
Ich bezweifelte es keine Sekunde lang.
Als ich am Abend endlich nach Hause kam, war zehn Uhr vorbei. Nana Mama wartete auf mich. Sie hatte Damon und Jannie schon ins Bett gebracht. Ihre besorgte Miene verriet mir, dass sie nicht schlafen konnte – was bei ihr ungewöhnlich ist. Nana konnte im Auge eines Hurrikans schlafen. Manchmal ist sie das Auge eines Hurrikans.
»Hallo, mein Lieber«, sagte sie. »Schlimmer Tag für dich? Ja, ich seh’s schon.« Manchmal kann sie unglaublich mitfühlend sein, freundlich und lieb. Es gefällt mir, dass sie
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