Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
wusste genau, dass diese vier Jungs miteinander auskamen, dass sie einander respektierten. Und niemals – da war ich ganz sicher – würde der Chief von diesem Treffen erfahren, jedenfalls nicht von einem dieser Männer.
»Tut mir Leid, dass ich euch so spät herbestellt habe. Aber es ist besser, wenn man uns nicht zusammen sieht. Danke, dass ihr gekommen seid. Der Schulhof schien mir der richtige Platz zu sein für das, worüber wir reden müssen. Ich mache es so kurz wie möglich«, erklärte ich und blickte in die Runde.
»Das hoffe ich, Alex«, sagte Jerome. »Ich frier mir hier nämlich meinen fetten Arsch ab.«
»Ihr habt alle von dem siebenjährigen Jungen gehört, den man heute Morgen im Garfield Park gefunden hat?«, fragte ich. »Er heißt Vernon Wheatley.«
Die Runde nickte mit ernsten Mienen. Meldungen über schlimme Morde verbreiten sich schnell.
»Nun, ich habe viel über diese Kindermorde nachgedacht. Alle Hinweise, die wir bisher haben, habe ich anhand unserer Daten über Gewalttäter überprüft, habe sie sogar durch die Datenbanken der Abteilung für Verhaltensforschung des FBI laufen lassen. Ohne Ergebnis. Ich lasse an einem vorläufigen psychologischen Profil arbeiten. Ich hoffe, ich irre mich, aber ich befürchte, dass in dieser Gegend ein Mörder herumläuft, der nach einem genauen Muster vorgeht. Wahrscheinlich ein Kinder-Serienmörder. Ich bin fast sicher.«
»Sieht’s wieder mal so schlimm aus, Alex?«, fragte Rakeem Powell.
Ich wusste, worauf Rakeem abzielte. Vor einigen Jahren hatten wir an einem überaus schwierigen Mordfall gearbeitet. Auch damals war der Täter streng nach einem Muster vorgegangen. »Ich glaube, es sieht wieder mal verdammt schlimm aus, Rakeem. Die beiden Morde wurden binnen weniger Tage verübt. Und äußerst brutal. Wir müssen damit rechnen, dass der Mörder sehr bald wieder zuschlägt. Ich sage er , obwohl es auch eine sie sein könnte.«
»Zu viel Gewalt für eine Täterin«, warf Sampson ein und räusperte sich. »Zu viel... Blut... eingeschlagener Schädel... kleine Kinder.« Er schüttelte den Kopf. »Für mich sieht das nicht nach ‘ner Frau aus.«
»Normalerweise würde ich dir beipflichten«, sagte ich. »Aber heutzutage weiß man nie. Schaut euch Jill an.«
»Wie viele Detectives sind für die Kindermorde eingeteilt?«, fragte Jerome Thurman durch dicke Lippen, die wie Wülste aus Weingummi aussahen, wie Kinder sie sich ankleben und aufessen, wenn sie die Dinger nicht mehr lustig finden.
»Zwei Teams«, sagte ich. »Nur zwei Teams. Wobei nur eines ständig an den Fällen arbeitet. Deshalb wollte ich, dass wir uns hier treffen. Der Chief glaubt nicht an die Theorie, dass ein und derselbe Scheißkerl beide Kinder getötet hat. Emmanuel Perez wird immer noch als Mörder des kleinen Mädchens betrachtet.«
»Pittman ist ein dämlicher Wichser«, schimpfte Jerome Thurman wütend. »Dieses Arschloch ist so überflüssig wie Titten bei ‘nem Bullen.«
Die anderen Detectives fluchten leise. Ich hatte mit einer negativen Reaktion auf alles gerechnet, was der Chief sagte oder tat. Jetzt aber wollte ich keine billigen Schläge unter die Gürtellinie mehr austeilen – obwohl die Versuchung groß war.
»Bist du sicher, dass es sich um ein und denselben Mörder handelt, Alex?«, fragte Rakeem. »Du hast gesagt, dein psychologisches Profil sei vorläufig. Ich weiß, dass dieser Scheiß Zeit braucht, aber wie weit bist du damit?«
Wegen der Kälte schniefte ich kurz. Dann erwiderte ich: »Bei dem zweiten Kind, dem kleinen Jungen, war ebenfalls das Gesicht zerschmettert, Rakeem. Eine Seite des Gesichts, genau wie bei dem kleinen Mädchen. Dieselbe Seite, die rechte. Ich konnte keinen signifikanten Unterschied feststellen. Der Gerichtsmediziner hat das bestätigt. Der Täter fühlt wahrscheinlich, dass er eine gute und eine schlechte Seite hat. Die schlechte Seite wird bestraft – oder besser gesagt: zerstört.
Okay. Letzter Punkt. Es ist bis jetzt nur eine Vermutung, aber ich halte den Täter für einen Anfänger. Trotzdem ist er verschlagen und clever... und risikofreudig. Er wird einen Fehler begehen. Wenn wir zusammenarbeiten, haben wir den Mistkerl bald am Wickel, da bin ich sicher. Aber es muss schnell gehen. Ich glaube, wir können ihn festnageln.«
»Sagst du den Jungs jetzt auch noch den Rest, Alex, oder soll ich es tun?«, fragte Sampson.
Ich lächelte darüber, wie er seine Frage gestellt hatte. »Diese Drecksarbeit wollte ich eigentlich dir
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