Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Ich bin Detective Alex Cross«, sagte ich.
Sie hörte zu summen auf und hob den Blick. In ihren Augen schimmerte ein Hauch von Angst. Dann lächelte sie. Ihr Lächeln war warmherzig und einladend. Es war schön, der Empfänger eines solchen Lächelns zu sein.
»Ah, tatsächlich. Detective Cross«, sagte sie. »Und was führt Sie ins Rektorat?«, fragte sie mit gespielter Autorität.
»Ich schätze, ich brauche Hilfe von der Rektorin. Nachhilfe bei meinen Hausaufgaben.« Irgendwie stimmte das sogar. »Ich muss mit Ihnen über Vernon Wheatley reden, falls möglich. Außerdem wollte ich mir Ihre Einwilligung holen, noch mal mit einigen Lehrern zu sprechen. Vielleicht hat einer der Schüler nach dem Mord an Vernon irgendetwas gehört. Vielleicht hat jemand irgendetwas gesehen, das uns weiterhilft, selbst wenn der Betreffende das gar nicht weiß. Es könnte auch sein, dass die Schüler irgendwas von ihren Eltern gehört haben.«
»Ja, das habe ich mir auch schon überlegt«, sagte Mrs. Johnson. »Irgendjemand an der Schule könnte einen Hinweis haben, etwas wissen, das weiterhilft, ohne sich dessen bewusst zu sein.«
Mir gefiel alles, was ich an Mrs. Johnson sah. Aber sobald ich es gesehen hatte, schob ich es in Gedanken weit von mir. Falscher Zeitpunkt, falscher Ort. Und die falsche Frau. Ich habe im Leben so einige fragwürdige Sachen gemacht und bin kein Engel, aber sich mit einer verheirateten Frau einzulassen gehörte nicht dazu.
»Es gibt nicht viel Neues zu berichten, fürchte ich«, sagte sie. »Ihretwegen habe ich ein paar Überstunden gemacht. Ich habe heute beim Mittagessen die Lehrer befragt. Vernommen ist wohl das treffendere Wort. Ich habe ihnen erklärt, sie sollten mir sagen, ob sie irgendetwas Verdächtiges gehört oder gesehen hätten. Wir reden hier ziemlich offen über die meisten Dinge. Wir sind eine Gruppe, die sehr eng zusammenhält.« »Sind jetzt noch Lehrer da? Dann könnte ich gleich mit ihnen reden. Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe den Verdacht, dass der Mörder die Schule zu irgendeinem Zeitpunkt beobachtet hat«, erklärte ich. Ich wollte Mrs. Johnson oder den anderen Lehrern keine Angst machen, aber sie sollten wachsam und vorsichtig sein, denn ich vermutete, dass der Mörder die Schule ausgekundschaftet hatte.
Mrs. Johnson schüttelte bedächtig den Kopf. Dann legte sie ihn ein wenig schief, schien mich aus einer anderen Perspektive zu betrachten. »Um vier Uhr sind die meisten Lehrer gegangen. Wenn möglich, gehen sie zusammen. Eine Gruppe verleiht Sicherheit.«
»Stimmt genau. Ist keine großartige Gegend hier. Na ja, irgendwie ist sie es doch ... und irgendwie auch wieder nicht.«
»Und um fünf Uhr noch hier zu sein, bei unverschlossenen Türen, ist leichtsinnig«, sagte sie. Genau das hatte ich gedacht, seit ich in der Tür zu ihrem Büro stand.
Ich sagte nichts, verkniff mir Bemerkungen über die unverschlossenen Türen. Mrs. Johnson hatte das Recht zu tun, was sie für richtig hielt. »Danke, dass Sie mit den Lehrern gesprochen haben«, sagte ich. »Danke für die Überstunden.«
»Nein, ich danke Ihnen, dass Sie vorbeigekommen sind«, erwiderte sie. »Ich bin sicher, für Sie und Damon ist es eine sehr schwierige Zeit. Für Ihre ganze Familie. Für uns an der Schule ist es jedenfalls so.«
Dann nahm sie die Brille ab und steckte sie in die Rocktasche. Sie sah mit und ohne Brille gut aus.
Intelligent, nett, hübsch.
Hände weg! Nicht dein Revier! Nicht auf deinem Radarschirm!, rief ich mir wieder ins Gedächtnis. Ich spürte förmlich, wie ich mit dem Lineal einen Schlag auf die Fingerknöchel bekam.
Schneller, als ich für möglich gehalten hätte, holte Mrs. Johnson eine stupsnasige 38er Special aus einer offenen Schublade rechts am Schreibtisch. Sie richtete die Waffe zwar nicht auf mich, hätte es aber leicht tun können. Leicht .
»Ich habe viele Jahre in dieser Gegend gewohnt«, erklärte sie. Dann lächelte sie und steckte die Pistole weg. »Ich versuche, auf alles vorbereitet zu sein«, sagte sie ruhig. »Und hier passiert viel Mist . Ich wusste, dass Sie auf der Schwelle standen, Detective. Die Schüler behaupten, ich hätte auch hinten Augen. Das stimmt tatsächlich.«
Sie lachte wieder. Ich mochte ihr Lachen. Jeder, dessen Puls noch schlug, hätte es gemocht. Sag ihr jetzt gute Nacht, Alex!
Ich hatte gemischte Gefühle bei dem Gedanken, dass Zivilpersonen Waffen besafäen. Allerdings war ich sicher, dass Mrs. Johnsons Waffe registriert und legal
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