Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
oder andere Frage auf. Jedenfalls für mich. Kann der Mord im Kennedy Center von einem Trittbrettfahrer verübt worden sein?«
»Das glaube ich nicht«, antwortete ich. »Es sei denn, der Trittbrettfahrer hat dieselbe Handschrift wie Jack und Jill. Nein, auch die letzte Botschaft stammt eindeutig von den beiden. Außerdem halte ich auch diesen Mord für einen gezielten Anschlag auf einen Prominenten.«
»Noch eine Frage«, sagte Jeanne Sterling. »Allerdings ist sie völlig abwegig, Alex. Aber haben Sie bitte Geduld mit mir. Unsere Analytiker haben vergeblich nach einer brauchbaren psychologischen Studie gesucht, die sich mit berufsmäßigen Attentätern beschäftigt. Ich spreche von Untersuchungen über die Profikiller, die von der Armee, der Drogenfahndungsbehörde und der CIA eingesetzt wurden. Ist Ihnen da etwas bekannt?«
Ich hatte das Gefühl, dass wir uns langsam auf das Thema zubewegten, über das Jeanne Sterling wirklich sprechen wollte. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, dass sie die Leitung der »inneren Angelegenheiten« der CIA beim Krisenstab hatte. Kontraktkiller der Armee und der CIA. Ich wusste, dass es solche Leute gab und dass etliche in und um Washington lebten. Ich wusste ferner, dass diese Leute irgendwo registriert waren, wenn auch nicht bei der Washingtoner Polizei. Vielleicht nannte man sie aus diesem Grund »Geister«.
»Über Mord steht in den psychologischen Fachzeitschriften sowieso nicht viel«, erklärte ich Jeanne Sterling. »Vor mehreren Jahren hat ein mir bekannter Professor in Georgetown eine interessante Forschungsarbeit veröffentlicht. In diversen Fachzeitschriften fand er einige tausend Erwähnungen von Selbstmord, aber weniger als fünfzigmal war von Mord die Rede. Ich habe mehrere Seminararbeiten von Studenten der John Jay und der Quantico gelesen. Über Attentäter gibt es nicht viel. Jedenfalls nicht meiner Kenntnis nach. Es dürfte wohl nicht einfach sein, Gesprächspartner zu bekommen.«
»Ich könnte Ihnen jemand für ein Interview besorgen«, sagte Jeanne Sterling. »Ich glaube, das könnte im Jack-und-Jill-Fall wichtig sein.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« Plötzlich hatte ich eine Unmenge Fragen an Jeanne. In meinem Kopf schrillten altbekannte Alarmglocken.
Über Jeannes Gesicht huschte ein leicht gequälter Ausdruck. Sie holte tief Luft, ehe sie antwortete.
»Wir haben unsere Agenten für derartige Aufträge eingehenden psychologischen Tests unterzogen, Alex. Die Armee ebenfalls, wie man mir versichert hat. Ich habe sogar einige Testberichte gelesen.«
Mein Magen verkrampfte sich immer mehr. Ebenso meine Schultern und mein Nacken. Aber ich war wirklich froh, mir die Zeit für den Besuch in Langley genommen zu haben.
»Seit ich in diesem Job bin, ungefähr elf Monate, musste ich in Langley und anderswo eine Reihe dunkler und unheimlicher Wandschränke öffnen. Allein über die Aldrich-Ames-Affäre habe ich mehr als dreihundert eingehende Befragungen vorgenommen. Sie können sich vorstellen, welche Vertuschungen wir im Lauf der Jahre hatten. Nein, wahrscheinlich können Sie das nicht. Ich hätte es auch nicht gekonnt – und ich arbeite hier.«
Mir war immer noch nicht klar, worauf Jeanne Sterling abzielte. Aber sie hatte meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Wir glauben, dass einer unserer ehemaligen Kontraktkiller... nun ja, außer Kontrolle geraten ist. Wir sind sogar ziemlich sicher, Alex. Deshalb ist die CIA beim Krisenstab dabei. Wir glauben, einer von unseren Männern könnte Jack sein.«
48.
Jeanne Sterling und ich machten eine Spazierfahrt durch die Umgebung. Die CIA-Generalinspekteurin hatte einen neuen Caravan, einen dunkelblauen Volvo, den sie wie einen Rennwagen fuhr. Aus dem Radio ertönte leise klassische Musik: Brahms. Unser Ziel war Chevy Chase, eine von Washingtons kleineren reichen Schlafsiedlungen. Ich sollte einen »Geist« treffen. Einen Profikiller. Einen von unseren Leuten.
O Bruder, Scheiße!
»Handlung und Gegenhandlung, Täuschung und Verrat, echter Agent, Doppelagent, falscher Agent ... hat Churchill Ihr Geschäft nicht so ähnlich beschrieben?«
Jeanne Sterling lächelte übers ganze Gesicht. Ihre großen Zähne standen plötzlich weit vor. Sie war ein sehr ernster Mensch, aber sie hatte auch Sinn für Humor, die Generalinspekteurin. »Die CIA versucht sich von der Vergangenheit zu lösen, sowohl in der Vorstellung als auch in der Realität. Entweder sie tut das, oder jemand zieht ihr den Stecker raus. Deshalb habe ich das FBI
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