Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Herz hatte alles beendet.
Ich las die Botschaft, die in der Handtasche der Jurastudentin zurückgelassen worden war.
Jack und Jill kamen zum Capitol Hill. Ihre Geliebte, Sir, wusste von nichts. War beim Schach nur ein Bauer Wir haben sie geschlagen
Nun ist sie aus dem Spielgeschehen So wird es bald auch Ihnen gehen Sir
Die Gedichte schienen besser zu werden. Auf jeden Fall dreister. Ebenso wie Jack und Jill. Gott, hilf uns allen, besonders Präsident Byrnes.
So wird es bald auch Ihnen gehen, Sir.
47.
Am Morgen nach dem Mord fuhr ich die acht Meilen nach Langley, Virginia. Ich wollte ein bisschen Zeit mit Jeanne Sterling verbringen, der Generalinspekteurin der CIA und deren Repräsentantin beim Krisenstab. Don Hamerman hatte mir klar gemacht, dass die CIA hinzugezogen worden war, weil die Möglichkeit bestand, hinter Jack und Jill könnte eine ausländische Macht stehen. Selbst wenn es nur eine weit hergeholte Möglichkeit war, musste sie überprüft werden. Ich vermutete jedoch, dass hinter der Beteiligung der CIA mehr steckte. Jetzt hatte ich Gelegenheit, das herauszufinden.
Möglicherweise hatte die CIA einen Hinweis, bei dem sich ein Nachhaken lohnte. Innenpolitische Skandale hatten vor einiger Zeit dazu geführt, dass die CIA Informationen mit uns, der Polizei, und dem FBI teilen musste. Das war jetzt Gesetz.
Von unserer ersten Begegnung im Weißen Haus erinnerte ich mich sehr gut an die Generalinspekteurin. Jeanne Sterling hatte damals meist zugehört, aber wenn sie sprach, war sie äußerst wortgewandt und blitzgescheit gewesen. Don Hamerman hatte mir gesagt, dass Jeanne jahrelang als Juraprofessorin an der University of Virginia gelehrt hatte, ehe sie zur CIA kam. Jetzt bestand ihre Aufgabe darin, zu helfen, die Agentur von innen heraus zu säubern. Für mich hörte sich das nach einer unlösbaren, auf jeden Fall beängstigenden Aufgabe an. Laut Hamerman war Jeanne Sterling dem Krisenstab aus einem ganz besonderen Grund zugeteilt worden: sie hatte den schärfsten Verstand in der CIA.
Ihr Büro befand sich im sechsten Stock des modernen grauen Gebäudes, das die Nabe des CIA-Hauptquartiers bildete. Ich betrachtete die Inneneinrichtung: viele sehr schmale Korridore, überall fluoreszierendes grünliches Licht, Zifferncodeschlösser an den meisten Bürotüren. Hier war sie, in vollem Glanz und Gloria: die CIA, der Racheengel der Auslandspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika.
Jeanne Sterling erwartete mich auf dem mit grauem Teppichboden ausgelegten Gang vor ihrem Büro. »Danke, Dr. Cross, dass Sie gekommen sind. Nächstes Mal treffen wir uns in Washington, das verspreche ich. Aber ich hielt es für das Beste, wenn wir erst einmal hier zusammentreffen. Ich glaube, Sie werden verstehen, warum, wenn wir heute fertig sind.«
»Ach, die Fahrt hierher habe ich eigentlich genossen. Ich brauchte mal ein bisschen Abstand von den Dingen«, gestand ich ihr. »Eine halbe Stunde ganz allein. Dazu eine Kassette von Cassandra Wilson. ›Blue Light ‘til Dawn.‹ Nicht übel.«
»Ich glaube, ich weiß genau, was Sie meinen. Aber vertrauen Sie mir. Ihr Ausflug ist nicht vergeblich. Ich habe etwas Interessantes, über das ich mit Ihnen sprechen möchte. Die CIA wurde nicht ohne Grund hinzugezogen, Dr. Cross. Das werden Sie sehr bald einsehen.«
Jeanne Sterling war tatsächlich weit entfernt von den stereotypen CIA-Eierköpfen der fünfziger und sechziger Jahre. Sie sprach mit dem bäuerlichen, schleppenden Akzent der mittleren Südstaaten, saß aber im Leitungsgremium für die Operationen der CIA. Man hielt sie für unentbehrlich, um der Gefahr vorzubeugen, dass bei der CIA alles zum Erliegen kam. Im Grunde brauchte man sie für das Überleben der CIA.
Wir betraten ihr großes Büro. Zwei Seiten des Raumes gewährten einen Blick über Waldland und einen gepflegten Garten. Wir setzten uns an einen niedrigen Glastisch, auf dem offizielle Schriftstücke und Bücher lagen. An den Wänden hingen Fotos von Jeannes Familie. Niedliche Kinder, wie ich unschwer feststellte. Nett aussehender Ehemann, groß und hager. Auch Jeanne war groß, blond, aber mit ein paar Pfunden zu viel. Sie lächelte freundlich, mit leichtem Überbiss. Ein wenig ähnelte sie einer Farmerstochter.
»Es ist etwas Wichtiges aufgetaucht«, sagte sie. »Doch ehe ich darauf eingehe, möchte ich etwas anderes zur Sprache bringen. Ich habe gehört, dass im Kennedy Center nicht dieselbe Waffe wie bei den Morden zuvor benutzt wurde. Das wirft die eine
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