Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Sojourner-Truth-Killer.
50.
Kurz nach sieben am nächsten Morgen saß ich Adele Finaly gegenüber und lud mir von der Seele, so viel ich nur konnte. Ich lud alles ab – Punktum . Dr. Adele Finaly war seit einem halben Dutzend Jahren meine Analytikerin. Ich besuche sie unregelmäßig. Nach Bedarf. Wie jetzt. Außerdem ist sie eine gute Freundin.
In meinem Innern brodelte es. Aber hier war der richtige Ort, ein bisschen Dampf abzulassen. »Vielleicht möchte ich den Polizeidienst quittieren. Vielleicht will ich nicht mehr bei diesen widerwärtigen Mordermittlungen mitmachen. Vielleicht will ich ganz aus Washington raus – oder wenigstens aus dem Southeast. Vielleicht will ich Kate McTiernan in West Virginia besuchen. Oder zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt einen Forschungsurlaub nehmen.«
»Wollen Sie tatsächlich einen dieser Pläne verwirklichen?«, fragte Adele, als ich fertig war oder mich zumindest für den Augenblick beruhigt hatte. »Oder lassen Sie nur Dampf ab?«
»Ich weiß es nicht, Adele. Wahrscheinlich lasse ich Dampf ab. Aber da gibt es auch noch diese Frau, für die ich mich interessieren könnte. Aber sie ist verheiratet «, sagte ich und lächelte. »Ich würde nie etwas mit einer verheirateten Frau anfangen. Sie ist also völlig sicher vor mir. Sicherer könnte sie gar nicht sein. Ich glaube, ich entwickle mich zurück.«
»Möchten Sie darüber eine Meinung hören, Alex? Na schön. Ich kann Ihnen eine liefern. Aber Sie haben sehr viel auf der Pfanne, das steht mal fest.«
»Ich stecke mitten in der Ermittlung in einem sehr schlimmen Mordfall. Eigentlich sogar in zwei Ermittlungen. Ich hatte gerade einen ziemlich schlimmen Fall abgeschlossen. Aber ich glaube, damit kann ich allein fertig werden. Wissen Sie, es ist seltsam. Ich vermute, ich will immer noch meinen Vater und meine Mutter zufrieden stellen – und das ist nicht möglich . Ich komme einfach nicht über das Gefühl hinweg, verlassen worden zu sein. Ich kann es geistig nicht verarbeiten. Manchmal habe ich das Gefühl, als wären meine Eltern an einer schrecklichen Traurigkeit gestorben und dass meine Brüder und ich Teil ihres Leidens waren. Ich fürchte, ich habe diese Krankheit ebenfalls. Mein Vater und meine Mutter waren so klug wie ich, wissen Sie, und haben deshalb besonders gelitten.« Mein Vater und meine Mutter waren sehr jung in North Carolina gestorben. Dad hatte sich mit Schnaps umgebracht. Darüber bin ich nie so richtig hinweggekommen. Meine Mutter war ein Jahr vor meinem Vater an Lungenkrebs gestorben. Nana Mama hatte mich zu sich genommen, als ich neun Jahre alt gewesen war.
»Sie glauben, die Traurigkeit ist vererbbar, Alex? Ich weiß nicht, was ich von dieser Theorie halten soll. Haben Sie zufällig den Artikel im New Yorker über Zwillinge gelesen? Es gibt einige Beweise für die Richtigkeit der Gentheorie. Ziemlich beängstigend für unseren Berufsstand.«
»Die Detektivarbeit?«, fragte ich sie.
Adele verlor kein Wort über meinen kleinen Scherz. »Tut mir Leid«, sagte ich. »Entschuldigung. Entschuldigung.«
»Es braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Sie wissen, wie glücklich es mich macht, wenn Sie Ihre Wut rauslassen.«
Sie lachte. Wir lachten beide. Ich spreche gern mit Adele, weil wir in den Sitzungen so prima herumalbern können: von Lachen bis zu Tränen, von ernst bis absurd, von der Wahrheit bis hin zu Lügen. Wir können fast über alles und jedes reden, was mich quält. Adele Finlay ist drei Jahre jünger als ich, aber für ihr Alter sehr klug und erfahren, vielleicht auch für mein Alter. Ein Besuch bei ihr – zwecks Seelenmassage – hilft mir mehr, als in meinem Wintergarten Blues auf dem Klavier zu spielen.
Ich redete noch ein Weilchen, einfach frisch von der Leber weg. Ich ließ meine Gedanken schweifen und fühlte mich anschließend besser. Es ist wunderbar, jemanden zu haben, dem man einfach alles erzählen kann. Adele ist für mich gar nicht mehr wegzudenken.
»Ich möchte Ihnen eine Verbindung erläutern, die ich kürzlich hergestellt habe«, erklärte ich Adele. »Maria, meine Frau, wurde ermordet. Ich trauere und trauere, aber ich komme nicht mal annähernd über den Verlust hinweg. So, wie ich niemals über den Verlust meines Vaters und meiner Mutter hinweggekommen bin.«
Adele nickte. »Es ist unglaublich schwierig, einen Seelenpartner zu finden.« Sie weiß es. Sie selbst hat nie einen solchen Partner gefunden, und das ist traurig.
»Und es ist schwer, einen zu verlieren – einen
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