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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Blicke schweifen. Im Nu hatte er aus dem Dickicht eine langstielige exotische Blume herausgesucht. Er hielt Paul eine blutrote Blüte entgegen. »Rot wie die Liebe, aber auch rot wie eine tiefe Wunde. Ist es das, was Sie suchen? Sie wollen sich von jemandem trennen?«
    »So kann man es nicht sagen«, zögerte Paul. »Nicht direkt jedenfalls.«
    Trotzdem entschied er sich für den Vorschlag des Floristen. Paul blätterte dreißig Euro auf die Ladentheke und verließ das Geschäft mit einem voluminösen, in mattschwarzes Papier gehüllten Strauß.
     
    Er hatte es nicht weit. Paul klingelte. Keine halbe Minute später surrte der Türöffner. Er nahm die Treppen bis zu ihrer Wohnung im zweiten Stock ohne Eile. Als er vor der Wohnungstür stand, begann er damit, das Papier vom Strauß zu lösen. Sein Blick streifte das blank geputzte Messingschild mit dem verspielt geschwungenen Namenszug Lena Mangold.
    »Hallo, Paul«, sagte sie und ihm fiel auf, dass sie die Lippen kaum bewegte.
    »Sind die für mich?«, fragte sie und nahm ihm die Blumen ab. Lena trug Jeans und ein schlichtes blaues Sweatshirt mit Kapuze. Ihr Gesicht war frisch und ausgeruht, sie wirkte um Jahre jünger. Auch die Augen, in die Paul jetzt blickte, waren klar und jung.
    Und eisblau. Die Augen eines Huskys.
    Paul vergegenwärtigte sich Hannahs Worte und gab ihr nun Recht. Arktische Schlittenhunde waren intelligente und zuverlässige Wesen. In ihrem naturgegebenen Existenzkampf aber auch unerbittliche Charaktere.
    Lena hatte die Blumen in eine große Vase gestellt und neben dem Couchtisch platziert. Sie setzte sich auf ihr weißes Ledersofa und schlug die Beine übereinander. Paul nahm auf einem zum Sofa passenden Sessel Platz, im Nacken eine grotesk verfremdete Büste, wahrscheinlich die eines klassischen Architekten.
    Er musste nicht viel sagen, um sie zum Sprechen zu bringen.
    »Erotik«, begann sie völlig unerwartet, »setzt sich zusammen aus Charisma, Stärke und sicherlich auch aus Erfahrung.«
    Sie machte eine dramaturgische Pause. »Und aus Verweigerung.«
    »Von wem oder was sprichst du?«, Pauls Blicke strichen über ihr seidenes schwarzes Haar, das sich zärtlich über die schmalen Schultern legte.
    »Von dir, mein Prinz.«
    »Du weißt, dass ich dich immer gemocht habe«, sagte der Prinz und fühlte sich überhaupt nicht als ein solcher. »Du weißt auch, dass das jetzt ziemlich nebensächlich ist.«
    Lena lächelte. Tiefgründiger als sonst. »Aber Paul, hör mir zu, ich will es dir doch erklären. Du bist perfekt darin, deine Erotik permanent zu bewahren. Für mich bist du immer derjenige gewesen, der … na, du weißt schon.«
    »Danke, aber du weißt auch, dass ich aus anderen Gründen hier bin.«
    »Ich habe dich immer … verehrt«, sagte Lena tonlos.
    Paul richtete sich auf. »Du bist für mich eine außergewöhnliche Frau. Ich kenne niemand anderen von deinem Format. Umso weniger verstehe ich, dass …«
    Lena unterbrach ihn mit einem gekränkten Lachen. »Das ist ja schmeichelhaft, aber keine Frau möchte auf oberflächliche Attribute wie ›außergewöhnlich‹ reduziert werden. Was für ein langweiliges Leben!«
    Lena stand auf. Sie ging in die Küche, die von dem Wohnraum nur durch eine hüfthohe Anrichte getrennt war. Paul schaute ihr dabei zu, wie sie zwei Gläser aus dem Wandschrank nahm, sie halb mit Mineralwasser und zur anderen Hälfte mit Apfelsaft füllte. Anschließend öffnete sie eine verschnörkelt bemalte Blechdose, wohl die Replik einer historischen Lebkuchendose. Sie holte einen transparenten Beutel mit weißem, traubenzuckerähnlichem Pulver heraus, tauchte einen Teelöffel hinein und rührte das Pulver in eine der Apfelschorlen.
    Paul beobachtete ihr Tun wortlos. Lena nahm die Gläser und ging zu Paul zurück. Dabei konnte er sie für einen Moment, während sie ein paar Meter durch den Flur ging, nicht sehen. Die Apfelschorlen sahen nun, da sie vor ihm auf dem Tisch standen, absolut identisch aus. Er konnte nicht sagen, in welchem Glas das Pulver war.
    Lena griff sich zielsicher das linke Glas und leerte es bis auf einen kleinen Rest in einem Zug.
    Paul rührte sein Glas nicht an. »Was hast du da hineingeschüttet?«
    »Magnesium«, sagte Lena. »Meine Tagesration. Kann dir auch nicht schaden.«
    Paul forschte in ihrem Gesicht: die reine weiße Haut, die kleine, schmal zulaufende Nase, die Augen so blau wie ein Gebirgssee, die Haare als rabenschwarzer Rahmen um ein perfektes Porträt. Ihre Miene verriet nicht die

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