Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
nehme ich Ihnen nicht ab. Katinka sagt, es gibt Zeugen, die Sie am Abend vor dem Mord beim Flirten beobachtet haben.«
Blohfeld machte eine abfällige Handbewegung, doch seine zur Schau gestellte Lässigkeit wirkte auf Paul wenig überzeugend. »Zwischen Flirten und Töten besteht ein gewisser Unterschied, meinen Sie nicht auch?«
Doch Paul war noch immer in Rage, als er fragte: »Was ist bei den Wiesingers faul?«
Blohfeld war unsicher. Schweißperlen bildeten sich auf seiner hohen Stirn. »Es gibt offenbar große Unstimmigkeiten in der Finanzverwaltung des Unternehmens«, rückte er zögernd heraus. »Die hausinterne Finanzbuchhaltung ließ sich noch außen vor halten. Aber jetzt sind die externen Buchprüfer aufgewacht. Mehr konnte ich bisher nicht herausfinden.«
»Ärger mit dem Finanzamt?«, fragte Paul erstaunt. Er setzte sich über seine Bedenken hinweg und beschloss, den Reporter in seine eigenen Recherchen einzuweihen. Paul berichtete noch einmal ausführlich von seinem Termin beim Heimatbund und von den Hinweisen, die auf einen Fleischbetrug im Hause Wiesinger hindeuteten.
»Da kommt einiges zusammen«, bestätigte Blohfeld. »Mein lieber Flemming: Sie waren ganz schön fleißig.«
»Danke. Aber das hat mehr zur Verwirrung beigetragen, anstatt Klarheit zu schaffen.«
Der Reporter schüttelte bedächtig den Kopf. »Ganz im Gegenteil: Die Zahlungen an den Heimatbund, die Unstimmigkeiten in der Wiesinger’schen Buchhaltung und die Hinweise auf Gemauschel in der Wurstproduktion könnten schon miteinander zu tun haben.«
»Sie meinen, das eine hängt mit dem anderen zusammen?«
»Aber natürlich, lieber Freund«, sagte Blohfeld. »Alles steht miteinander in Verbindung, wir wissen bloß noch nicht, wie. Diesen Verdacht hege ich übrigens schon seit längerem.«
Paul zog argwöhnisch die Augenbrauen hoch. »Wie lange genau?«
Blohfeld rieb sich schuldbewusst das Kinn. »Ich hatte Antoinette über die womöglich gefälschten Bilanzen bei Wiesinger in Kenntnis gesetzt – vielleicht hat sie das dazu inspiriert, irgendwelche Dummheiten zu begehen.«
26
Der Montagmorgen begann für Paul mit einer merkwürdigen neuen Erfahrung: Er wurde von einem Schnaufen geweckt, und zunächst glaubte er, ein Tier zu hören, das sich hinauf in sein Atelier verirrt hatte. Dann aber sah er Blohfeld durch die nur halb geschlossene Tür im Badezimmer stehen und identifizierte damit die Geräuschquelle.
Paul richtete sich auf seinem Schlafsofa auf. »Guten Morgen«, sagte er. »Ich habe Sie gar nicht für einen Frühaufsteher gehalten.«
»Bin ich auch nicht«, entgegnete Blohfeld, der sich gerade rasierte. »Aber es wäre besser, wenn ich allzeit zur Flucht bereit bin. Dieser Staatsanwältin Blohm traue ich es zu, dass sie hier unangemeldet hereinplatzen könnte.«
Ja, dachte Paul. Das traute er ihr auch zu. Ob sie wohl einen netten Abend mit Basse verbracht hatte? Paul wollte aufstehen, doch ein flaues Gefühl in der Magengegend hielt ihn davon ab. An seinen Schläfen pochte der Puls, und ihm wurde heiß. Paul musste sich eingestehen, dass er eifersüchtig war.
»Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich Blohfeld.
»Doch, doch«, sagte Paul knapp und rappelte sich endlich auf. Er beeilte sich beim Anziehen. »Soll ich uns ein paar Brötchen holen?«, schlug er Blohfeld vor. Der saß inzwischen erwartungsfroh auf einem Hocker an der Küchentheke und nickte. »Gern. Zwei Rosinenbrötchen ohne Rosinen, bitte.«
»Rosinenbrötchen ohne … Blohfeld, was soll der Unsinn?«
»Sie wissen schon. Zwei von diesen ganz normalen süßen Teilchen. Und, äh, ist da auch ein Zigarrenladen in der Nähe?«
Paul verließ kommentarlos das Loft.
Es war sehr früh und die Luft angenehm kühl. Paul musste beim Bäcker nicht einmal anstehen. Er ließ sich eine Brötchen- und Hörnchenauswahl eintüten und griff wie immer zur Tageszeitung. Guter Dinge schlenderte er zurück zu seiner Wohnung. Doch als sein Blick unterwegs auf die Schlagzeile fiel, hatte er es plötzlich sehr eilig.
Atemlos stürzte er in sein Appartement. Blohfeld sah ihn erstaunt an, als er die Brötchentüte achtlos auf das Sofa schmiss und dem Reporter die Zeitung vor die Nase hielt.
»Hier!«, stieß Paul aus. »Basse hat zugeschlagen!«
Blohfeld nahm ihm die Zeitung fragend ab und schlug sie auf. Dann wurde er blass.
»Bratwurst-König Andi Wiesinger unter Mordverdacht«, las Blohfeld mit belegter Stimme vor, dann las er leise weiter. Schließlich schaute er auf.
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