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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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so kann man es nennen«, sagte Katinka. »Weißt du: Dein Freund Blohfeld hat vor ein paar Jahren im Rahmen einer Reportage eine Speichelprobe abgegeben und gentechnisch analysieren lassen.«
    »Katinka«, setzte Paul Böses ahnend an. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass ihr diese Speichelprobe aufbewahrt habt?«
    »Doch«, sagte Katinka trotzig, »und der Vergleich mit Gewebespuren vom Seidenhalstuch ergab unzweifelhafte Parallelen.«
    »Speichelproben von einem Pressetermin zu verwenden – ist das ethisch zulässig, geschweige denn erlaubt?«
    »Nein, aber es ist auch nicht zulässig, junge Mädchen zu ermorden.«
    »Aber Katinka«, protestierte Paul, »was für ein Motiv soll er denn gehabt haben? Ihr dürft euch nicht ausschließlich auf dieses Seidentuch beschränken. Gibt es denn sonst keine verwertbaren Spuren? Hautpartikel? Haare? Sperma?«
    »Kein Sperma«, räumte Katinka ein. »Wir wissen inzwischen auch, dass es keine Vergewaltigung war.«
    »Na also!«, atmete Paul auf.
    »Das macht die Sache aber nicht besser«, sagte Katinka ernst. »Ich möchte dich nochmals eindringlich davor warnen, Blohfeld zu decken. Er ist gefährlich und unberechenbar. Vergiss das nicht.«
    Nach diesem Gespräch brauchte Paul Zeit zum Nachdenken und spazierte durch die Stadt. Blohfeld muss von diesen neuesten Erkenntnissen nichts wissen, beschloss er dann, sie würden ihn nur noch nervöser machen.
     
    Nach zwei Stunden kehrte er mit drei Packungen Playmobil in sein Loft zurück. An seinem Schreibtisch packte er mit einem Anflug kindlicher Freude seine Einkäufe aus. Seine Playmobilsammlung vom Kettensteg wurde nun durch einige weitere Figuren ergänzt: Er hatte einen Reporter mit Kamera gekauft, der Basse verkörpern sollte, außerdem eine hübsche Blondine, die er auf den Namen Kati taufte. Dann war da eine Figur vom Typ Arbeiter, die den verschwundenen Ex-Beschäftigten der Würstchenfabrik darstellte. Sogar noch ein weiterer Playmobilmann war in einer der Packungen enthalten; in Standardkleidung und mit dem ebenfalls standardisierten freundlichen Lächeln. Für ihn hatte Paul allerdings noch keine Verwendung.
    Blohfeld quittierte Pauls Spieltrieb mit einem abfälligen Grinsen und zog sich mit einem dickleibigen Roman aus Pauls Bücherregal gelangweilt in den Archivraum zurück, den Paul mit Hilfe einer ausrangierten Matratze zu einem notdürftigen Gästequartier umfunktioniert hatte.
    Den Rest des Nachmittags nutzte Paul zum Abarbeiten des Postbergs, der sich neben seinem Schreibtisch stapelte. Er überwies einige überfällige Rechnungen, sortierte Reklame und Wurfzeitungen aus und stieß schließlich auf ein Schreiben vom Finanzamt, das einige Belege als Anhang zu seiner letzten Steuererklärung nachforderte. Paul fragte sich, ob er Blohfelds Unterbringung auch von der Steuer absetzen könnte.

27
    Am Abend taute sich Paul eine Packung tiefgefrorenes Sushi auf – Blohfeld hatte dankend abgelehnt – und goss sich dazu, weil er keinen Weißwein im Haus hatte, ein Hefeweizen ein. Er stellte sich darauf ein, den Abend mit einer DVD zu verbringen – hoffentlich ohne Störungen durch seinen Untermieter. Nach kurzer Durchschau seiner schmalen Filmsammlung entschied er sich für Bertoluccis Träumer und machte es sich auf seinem Schlafsofa bequem. Er war Bertolucci-Fan, seit er das erste Mal – mit gerade mal dreizehn Jahren – den Letzten Tango in Paris gesehen hatte.
    Es klingelte.
    Paul, der bereits die Stäbchen für das Sushi in den Händen hielt, raffte sich widerstrebend auf. Er schaute auf die Uhr: fast halb zehn. Wer konnte das noch sein?
    Katinka sah mitgenommen aus. Als Paul ihr die Tür öffnete, trat sie ihm mit einem bemühten Lächeln entgegen. Ihr langes blondes Haar hing ihr strähnig über die Schultern. Über ihren blauen Augen lag der Schleier, den Paul schon oft bemerkt hatte, wenn sie abgespannt und müde war. Katinka trug einen sportlich eleganten Hosenanzug mit weißer Bluse. Sie schien direkt von der Arbeit zu ihm gefahren zu sein. Nur die schwarze Robe hatte sie abgelegt, und die Knöpfe der Bluse waren bereits weiter geöffnet, als es sich für die heiligen Schwurgerichtsräume geziemt hätte.
    Pauls Blicke streiften ihr Dekolleté. Glasklare Schweißperlen hatten sich auf der glatten Haut ihres Halses gebildet.
    »Was machst du denn so spät hier?«, fragte er, wobei er im Türrahmen stehen blieb. Mit einem unauffälligen Blick nach hinten vergewisserte er sich, dass sich Blohfeld noch

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