Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
Himmelfahrtsnase hinweg eindringlich an. »Hören Sie: Ich habe mir den ganzen letzten Tag und die Nacht in irgendwelchen Hinterhofkneipen um die Ohren geschlagen. Unsere Volontärin hatte mich sofort angerufen, als sie feststellte, dass Basse zur Wöhrder Wiese gefahren ist. Ich hatte mich zurückgezogen, um in Ruhe den Wiesinger-Fall zu untersuchen und aus der Schusslinie dieses Aufschneiders zu geraten. Später steckte sie mir, dass die halbe Staatsanwaltschaft der Stadt hinter mir her ist. Nun, Flemming, Sie wollen sicherlich hören, was ich zu den absurden Vorwürfen gegen mich zu sagen habe.« Er räusperte sich lautstark. »Die Anklage lautet, dass ich ein Auge auf Antoinette geworfen hatte. Dazu sage ich: Ja, ich fand dieses Mädchen außerordentlich attraktiv. Weil sie sehr geheimnisvoll war, was sie für mich interessant gemacht hat. Aber, Euer Ehren, ich habe ganz sicher nicht versucht, sie zu meinem Betthäschen zu degradieren. Das ist weder mein Stil noch habe ich das nötig.«
»Blohfeld …«, hob Paul an.
Doch der Reporter redete weiter: »Die Anklage lautet außerdem, dass ein seidenes Halstuch am Tatort gefunden wurde, das eventuell mir gehören könnte. Und auch dazu sage ich: Ja, das Halstuch kann durchaus aus meinem Besitz stammen. Jeder weiß, dass ich diese Tücher gern trage. Es ist eine Marotte von mir. Es kann sein, dass ich eines verloren habe. Aber ganz sicher nicht dort, wo man Antoinette tot aufgefunden hat.«
»Blohfeld …«, versuchte Paul es erneut. Der Reporter rührte ihn: Er redete und redete und wirkte dabei wie ein Ertrinkender, der durch hektisches Strampeln versucht, das Unvermeidliche hinauszuzögern.
»Die Anklage lautet: Ich soll Antipathie gegenüber dem neuen Redaktionsleiter Gernot Basse hegen. Dazu sage ich abermals: Ja! Ihm würde ich es sogar zutrauen, dass er das Seidentuch neben der Leiche drapiert hat, um mich zu belasten.«
»Blohfeld, hier geht es nicht um Basse, es geht einzig und allein …«
Wieder unterbrach ihn der andere: »Basse ist ein rücksichtsloser Ehrgeizling! Ein Aufsteiger, für den Nürnberg nur das Sprungbrett für den nächsten überbezahlten Posten ist. Basse sitzt auf dem Stuhl, der längst mir zustehen würde!«
Paul verzichtete darauf, dem Reporter zu widersprechen. Er betrachtete Blohfeld nachdenklich: ein Mann um die fünfzig, zierlich gebaut, die grauen Haare trug er entschieden zu lang, über die Wangen zogen sich Dutzende rote Äderchen. Blohfeld waren sein Alter und sein Lebensweg anzusehen.
Doch die Augen funkelten kämpferisch. Sie waren es, die Paul davon zurückhielten, zum Telefon zu greifen und die Polizei zu verständigen.
»Danke für Ihre Geständnisse«, sagte Paul und zeigte erstmals seit ihrer Begegnung ein leises Lächeln. »Wenn sich alles so einfach aufklären lässt, wie Sie behaupten, warum stellen Sie sich nicht und schaffen die Sache aus der Welt?«
Blohfeld kniff die Augen zusammen. »Ihre Freundin von der Staatsanwaltschaft sucht ein schwarzes Schaf, das sie in mir gefunden zu haben glaubt. Ich traue ihr nicht.«
»Aber, Blohfeld, ich bitte Sie: Was haben Sie gegen Katinka?«
»Nichts. Ich habe sogar einen Mordsrespekt vor einer Frau, die mit neunzehn ungewollt schwanger wird, ihr Kind gegen jedermanns Rat auf die Welt bringt, ihr Jurastudium mit Bravour meistert und sich seit Jahren erfolgreich in einer Männerdomäne durchsetzt.«
»Aber?«
»Sie ist ein zäher Hund. Ich möchte nicht zwischen ihre Klauen geraten.«
Paul blickte sein Gegenüber scheel an. »Wenn Sie wirklich Hilfe von mir erwarten, müssen Sie mich wenigstens ein bisschen mehr ins Vertrauen ziehen.«
»Was meinen Sie?« Blohfeld wechselte unruhig seine Sitzposition.
»Was haben Sie über die Wiesingers in Erfahrung gebracht? Und was hatte Antoinette mit diesen Recherchen zu tun?«
Blohfeld rollte die Augen und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. »Es ist besser, wenn Sie nicht zu viel wissen.«
»Das ist absurd!«, beschwerte sich Paul. »Sie erwarten von mir, dass ich Sie schütze, und wollen gleichzeitig Ihre Geheimnisse für sich behalten?« Paul rutschte näher an Blohfeld heran. Es war das erste Mal, seit sie sich kannten, dass er sich dem Reporter gegenüber überlegen fühlte. Diese Lage wollte er keinesfalls ungenutzt lassen. »Machen Sie mir nichts vor, Blohfeld: Auch die Staatsanwaltschaft geht mittlerweile davon aus, dass Andi Wiesinger nicht ehrlich spielt. Sagen Sie mir, was Sie herausgefunden haben!«
Als
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