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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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immer unterstützt. – Es hat uns sehr viel Geld gekostet, aber ich habe mit ihm an den Erfolg seiner Bemühungen geglaubt.«
    »Dann sollten Sie das da aber wirklich Ihrer gemeinsamen Sammlung hinzufügen«, sagte Paul und zeigte auf die Aktentasche.
    Tatsächlich nahm Frau Henlein nun die Mappe an sich. Sanft streichelte sie über das abgenutzte Leder. »Danke. Es war sehr nett von Ihnen, sie mir zu bringen.« Sie legte die Aktentasche neben sich und nestelte in der Tasche ihres Morgenmantels herum. »Kann ich mich irgendwie erkenntlich zeigen?« Sie schneuzte sich in das gefundene Taschentuch. »Ich habe nicht viel Geld. Als Witwe eines pensionierten VAG-Buchhalters kann ich keine großen Sprünge machen, aber ein kleiner Finderlohn muss natürlich sein.«
    »Auf gar keinen Fall.« Paul hob abwehrend die Hände.
    Frau Henleins Augen nahmen ihr nervöses Flackern wieder auf. »Können Sie sich denken, wie viel so ein Hobby verschlingt? Wie es einem zunächst das Geld aus der Tasche zieht und dann die Kraft raubt?«
    Paul konnte sich nur allzu gut vorstellen, mit welchen inneren Qualen die Witwe so kurz nach dem Tod ihres Mannes kämpfen musste. Offensichtlich war sie hin – und hergerissen zwischen aufrichtiger Trauer um ihren Mann und dem Nachklang ihrer Wut über seine exzessive Beschäftigung mit Hauser.
    Eigentlich war ihm vollkommen klar, dass er jetzt gehen musste und die verzweifelte Lage der Witwe nicht ausnutzen durfte. Dennoch wagte er einen Vorstoß in eigener Sache, denn seine Neugierde war stärker als sein Mitleid: »Was ist eigentlich aus dem Medaillon geworden, das Ihr Mann um den Hals getragen hat?«
    In ihrer flatterhaften Art antwortete die Witwe: »Medaillon? Wie kommen Sie ausgerechnet auf das Medaillon?« Sie klang entgeistert. »Sie haben keinerlei Vorstellung von dem, was man nach dem Tod eines nahe stehenden Menschen alles erledigen muss, habe ich recht? Sonst würden Sie solche Fragen nicht stellen.«
    Er hatte die Antwort verdient, dachte Paul beschämt.
    »Das Medaillon ist mir wirklich egal.« Frau Henlein verzog jetzt zornig das Gesicht. »Mein Mann hing daran – aber es hat in all den Jahren unserer Ehe zwischen uns gestanden. Ich möchte es nie wieder sehen!«
    Sie standen im Hausflur, als die Witwe einen versöhnlichen Ton anschlug. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich so grob war – aber diese Tage sind sehr bitter und schwer für mich. Der verfluchte Kaspar Hauser verfolgt mich selbst noch nach dem Tod meines Mannes! Sie sind heute bereits der Zweite, mit dem ich über dieses Thema reden muss.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte Paul, »ich verstehe Sie gut. – Kam der andere Besucher von der Polizei?«
    »Polizei?« Ein großes Fragezeichen stand in ihrem Gesicht geschrieben. »Nein, es war Herr Zetschke, Gunnar Zetschke.«
    Paul hatte den Namen noch nie gehört, mochte aber die Witwe nicht mit weiteren Fragen behelligen. Zur Verabschiedung reichte er ihr die Hand.
    »Zetschke war einer dieser Windhunde, die meinem Mann für teures Geld Material über Hauser angedreht haben«, fuhr sie auf einmal aufgebracht fort. »Ich habe ihn zum Teufel gejagt. Glaubt der denn, er kann sein falsches Spiel mit mir fortsetzen?«
    »Zetschke?«, fragte Paul nun doch, schon in der Tür stehend. »Muss einem dieser Name etwas sagen?«
    »Na, dieser schmierige Betrüger vom Trödelmarkt, der Devotionalienhändler.« Leise schimpfend zog sie mit einem genuschelten »Wiedersehen« die Tür ins Schloss. Anscheinend hatte sie Pauls Besuch schon vergessen. Verdrängung zum Selbstschutz, glaubte Paul mitfühlend. Früher war die Witwe sicher eine lebenslustige und temperamentvolle Frau gewesen, die laut lachen konnte und die Tage so nahm, wie sie kamen. Jedenfalls hatte Paul diesen Eindruck trotz der oberflächlichen Unhöflichkeit von ihr gewonnen. Und er fragte sich, ob sie die Unbeschwertheit, mit der sie vielleicht einmal gelebt hatte, jemals wiedererlangen konnte. Frau Henlein tat ihm sehr leid.
    12
    Aus einem Zeitungskasten fischte er sich die Tageszeitung, um zu erfahren, was Blohfeld über Henleins Tod geschrieben hatte. Während er die Pegnitz entlangging, schlug Paul das Blatt auf und wurde schnell fündig:
    »Grausamer Unfall überschattet Forschungserfolge«, las er und dachte: typisch Victor Blohfeld!
    »Ein tödlicher Unfall trübt die Freude über die neuen sensationellen Enthüllungen im Fall Kaspar Hauser. Wie berichtet, war der Nürnberger Hobbyforscher und

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