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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Kopf.
    »Protestantisch also«, stellte Zetschke fest und fügte mit geschäftstüchtigem Lächeln hinzu, »das ist ja in der ersten reformierten Reichsstadt des Landes keine Schande.« Er deutete in eine andere dunkle Ecke seines Ladens. »Ich kann Ihnen sehr günstig einen Hostienteller überlassen. Auch einen Altarteppich und mehrere Kelche habe ich diesen Monat im Angebot.«
    »Nein, nein«, lehnte Paul dankend ab. Inzwischen war ihm ein vorgeschobener Einkaufswunsch eingefallen: »Ich suche eigentlich nur nach einer Taufkerze für mein Patenkind.«
    »Selbstverständlich«, sagte Zetschke ein wenig enttäuscht und rollte einen Ständer mit verschiedenfarbigen Kerzen heran. »Mädchen oder Junge?«
    »Bitte? – Ach ja, ein Junge.«
    Schnell hatte sich Paul für eine recht kleine und preisgünstige Kerze entschieden. Als Zetschke sie in Papier einwickelte und den Preis in eine altertümlich anmutende Registrierkasse tippte, sah Paul den passenden Moment gekommen, um sein eigentliches Anliegen vorzubringen: »Sagen Sie mal, ich habe gehört, dass man bei Ihnen auch echte Raritäten erwerben kann?«
    Ein unverhohlenes Leuchten trat in Zetschkes Augen. »Aber ja. Sagte ich es nicht bereits? Ich habe sehr gute Beziehungen und kann Ihnen fast jeden Wunsch erfüllen. Sogar ein Mosaikfenster aus einer entweihten Kirche ließe sich organisieren. Gehen Ihre Vorstellungen in diese Richtung?«
    Kompliment, ein verkaufstüchtiger Geschäftsmann!, dachte Paul. Er war sich sicher, dass Zetschke ihm auch einen Originalsplitter aus dem Kreuz Jesu besorgt hätte. Die Quellen und die Authentizität seiner Waren ließen Paul allerdings zweifeln. Vorsichtig erkundigte er sich: »Ein guter Freund von mir nannte Sie im Zusammenhang mit seinem Hobby, der Kaspar Hauser-Forschung.«
    Zetschke behielt sein zuvorkommendes Lächeln bei, doch seine Augen verrieten plötzliche Anspannung: »Hauser?«, fragte er erstaunt. Doch er schauspielerte schlecht. »Nein, tut mir leid, aber das ist nun wirklich nicht mein Metier.«
    »So?«, fragte Paul, wobei er sich anmerken ließ, dass er seinem Gegenüber nicht glaubte. »Aber Sie haben doch Kunden, die nach solcher Ware verlangen, oder?«
    »Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich über meine Kundschaft keine Auskünfte gebe«, sagte Zetschke, wobei seine Selbstbeherrschung merklich zu bröckeln begann.
    »Sie haben ja sicher von Herrn Henleins Unfall gehört«, sagte Paul jetzt ganz offen. »Er war doch Kunde bei Ihnen?«
    Zetschke reichte Paul die eingepackte Kerze. »Wissen Sie, ich habe sehr viele Kunden. – Aber natürlich habe ich den Zeitungsartikel über das Unglück gelesen. Wirklich sehr tragisch.«
    Paul schwieg für einen Moment, aber Zetschke tat ihm nicht den Gefallen weiterzureden. »Dann herzlichen Dank«, sagte Paul mit leisem Bedauern und wandte sich zum Gehen.
    »Auf Wiedersehen«, antwortete Zetschke höflich.
    »Nur noch eines.« Paul hielt inne. »Haben Sie für Herrn Henlein das Hemd besorgt – das mit dem Blutfleck?«
    Zetschke hielt eisern an seinem Lächeln fest. »Vertraulichkeit ist in meiner Branche das A und O«, sagte er. »Viel Freude bei der Taufe.«
    »Ja, danke, meine Nichte wird sich sicher über die Kerze freuen.«
    »Ich dachte, es sei Ihr Neffe?«
    »Ach ja, Neffe. Danke für den Hinweis.«
    Als Paul den Laden verließ, knurrte sein Magen. Auf der Suche nach einem Mittagssnack machte er sich auf den Weg zurück nach Hause.
    Was sollte er nun von diesem Zetschke halten? War er seriös? Wohl kaum, eher doch ein charmanter Aufschneider. Paul hatte das sichere Gefühl, dass Zetschke Henlein das angebliche Hauser-Hemd besorgt und einen horrenden Preis dafür verlangt hatte. Nur würde es über diesen Deal wohl kaum eine Quittung geben.
    Plötzlich kam ihm ein vager Verdacht. Gesetzt den Fall, dass Zetschke Henlein eine Fälschung verkauft hatte: Mit der Gen-Analyse des Blutflecks, die Henlein sich ja fest vorgenommen hatte, wäre der ganze Schwindel aufgeflogen und Zetschke damit als Betrüger entlarvt worden.
    Paul konnte sich vorstellen, was das für Zetschkes Renommee und seine weiteren Geschäfte bedeutet hätte – und er spielte mit dem düsteren Gedanken daran, dass sich Zetschke seines lästig gewordenen Kunden womöglich kurzerhand entledigt hatte . . .
    War Henleins Unfall am Ende gar kein Unfall gewesen?
    Paul schüttelte den Kopf. Da ging wohl wieder mal die Fantasie mit ihm durch. Zwischen einfachem Betrug und vorsätzlichem Mord lagen Welten!

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