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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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glaube, dass sich Henleins jahrelange Bemühungen schon bald ausgezahlt und die Ergebnisse einigen Staub aufgewirbelt hätten.« Blohfeld ließ sich den Memorystick zurückgeben. Bevor er ihn einsteckte, fragte er: »Sie können mir nicht zufällig ein paar Fotos von der Brünetten von vorhin draufziehen?«
    Doch bevor Paul reagieren konnte, ließ er ihn wieder in seiner Hosentasche verschwinden. »Kleiner Scherz. Aber um auf Henlein zurückzukommen: Wenn er nicht verunglückt wäre, müsste er sich jetzt überlegen, wie er sich und seine Frau vor den Folgen seiner Enthüllungen schützen könnte.«
    »Meinen Sie nicht, diese Befürchtung ist etwas übertrieben?«, fragte Paul zweifelnd.
    »Nein, durchaus nicht. Das Thema hat noch immer ungeheures Potenzial. Es könnte die europäische Geschichtsschreibung nachträglich verändern. Denken Sie nur an die Verbindung zur napoleonischen Linie . . .«
    Paul konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Jetzt übertreiben Sie aber wirklich!«
    Doch Blohfeld verzog keine Miene.
    »Also gut«, sagte Paul schließlich, »Sie sind sicher aus einem ganz bestimmten Grund zu mir gekommen. Wie kann ich Ihnen denn nun helfen?«
    Der Reporter druckste noch ein wenig herum, bevor er mit der Wahrheit herausrückte: »Ich stehe mit meiner Hauser-Euphorie trotz der guten Verkaufs zahlen bei uns im Hause ziemlich isoliert da. Der Verleger will – wie gesagt – kein Geld herausrücken, und die Kollegen warten nur darauf, dass sich die ganze Sache als Windei entpuppt und ich dumm dastehe.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Heute Nachmittag ist doch Henleins Beerdigung. Ich möchte nur ungern einen internen Fotografen meiner Zeitung dabei haben, sonst wird mir zu viel über die Sache gequatscht.«
    »Ach, und mir trauen Sie die nötige Diskretion also zu?«, fragte Paul belustigt und geehrt zugleich.
    »Ja, das tue ich«, sagte Blohfeld ernst. »Kann ich auf Sie zählen?«
    Paul wollte dem Reporter nicht auf die Nase binden, dass er ohnehin dorthin gegangen wäre, stattdessen erklärte er voller Inbrunst: »Ich bin Ihr Mann. Die Aufnahmen müssen mir aber mindestens den Verlust der Shootinggebühr wettmachen.« Er hielt ihm die Hand hin.
    »Einverstanden«, sagte Blohfeld und schlug ein. »Ach, fast hätte ich es vergessen: die aktuellste Ausgabe!« Damit knallte er Paul ein Exemplar der Boulevardzeitung auf den Tisch.
    14
    Paul las konzentriert den Artikel:
    »Hausers Bluthemd: Untersuchungen beunruhigen Adelskreise«, lautete die – wie üblich überspitzt formulierte – Überschrift. »Zwar gestalten sich die gentechnischen Analysen des Blutflecks auf einem Hemd des berühmten Findelkindes Kaspar Hauser (wir berichteten) als sehr zeitintensiv, doch sind die laufenden Untersuchungen auch Nährboden für vielfältige Spekulationen. In Adelskreisen ist man dem Vernehmen nach bereits besorgt, steht doch auf dem Spiel, dass mit der Aufklärung von Hausers Herkunft ein auf höchster Ebene ersonnenes, historisches Mordkomplott aufgedeckt werden könnte.
    Bereits der damalige Fahnder im Fall Hauser, Gerichtspräsident Anselm Ritter von Feuerbach, hatte auf eine verdächtige Entwicklung im Hause Baden hingewiesen. Der Kriminologe hatte in verschiedenen Stammbüchern geforscht und Fälle von plötzlichem Kindstod in europäischen Fürstenhäusern untersucht. Dabei war er sehr schnell auf das Haus Baden aufmerksam geworden: In Karlsruhe regierte zu Hausers Lebzeiten bereits seit Generationen das Geschlecht der Zähringer über das wohlhabende Großherzogtum. Am 29. September 1812 wurde im Karlsruher Schloss ein Junge geboren. Fürstin Stephanie de Beauharnais erholte sich nur sehr langsam von der schweren Geburt. Die Freude über den Erbprinzen und potenziellen Nachfolger von Großherzog Karl von Baden sollte nicht lange währen, in der Nacht zum 16. Oktober erkrankte der Säugling plötzlich und verstarb, noch nicht einmal drei Wochen alt.«
    Paul sah nachdenklich auf. Inzwischen kannte er viele Details der Hauser-Story und wurde bei neuen Einzelheiten jedes Mal wieder misstrauisch.
    »Die Kinderleiche wurde in der Familiengruft, der Pforzheimer Schlosskirche von Sankt Michael, beigesetzt. Doch lag in dem Kindersarg wirklich der Erbprinz? Feuerbach hegte Zweifel und stellte den Verdacht auf, dass ein heimlich untergeschobenes, sterbenskrankes Kind die Rolle des Thronfolgers übernommen hatte. Der echte Zähringer-Spross dagegen sei klammheimlich in die Verbannung geschickt worden, damit die

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