Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Zetschke und an seine vage Vermutung, dass das Hauser-Hemd womöglich nur eine Fälschung sein könnte. »Sind Sie denn davon überzeugt, dass sich der Aufwand tatsächlich lohnt?«
Blohfeld schaute ihn mit gequältem Blick an. »Genau das ist es – ich bin es nämlich nicht. Normalerweise ist eine Genanalyse narrensicher, aber bei so altem Material? Die Zellen können beschädigt und das Genmaterial unvollständig sein. Der Blutfleck ist zwar groß und damit ergiebiger als jede andere frühere DNA-Quelle, aber ein Restrisiko bleibt trotzdem bestehen.«
»Ein Vabanquespiel also«, folgerte Paul und entschloss sich, dem Reporter von seinem Besuch in dem Devotionaliengeschäft am Trödelmarkt zu erzählen.
Blohfeld richtete sich interessiert auf, als Paul von Zetschkes lebhaftem Handel und seinen Angeboten berichtete und seine Vermutung äußerte, dass der Kaufmann einer von Henleins Belieferern gewesen sein könnte.
»Sie meinen also, wir sollten Vorsicht walten lassen?«, fragte der Reporter skeptisch.
Paul erinnerte sich, dass Blohfeld schon einmal einem Schwindel ähnlicher Art aufgesessen war und aus diesem Grund einen Spitzenjob bei einer Hamburger Illustrierten verloren hatte. Er wollte nicht mehr Salz in die Wunden streuen als nötig – dennoch hielt er es für ratsam, den Reporter zu bremsen: »Ja, das sollten wir!«
»In Ordnung«, sagte Blohfeld nach längerem innerlichen Ringen. »Ich werde diesen Zetschke und sein Treiben im Auge behalten, bevor ich den Verleger weiter löchere. Auch ohne Gentest ist die Story noch ein paar Tage haltbar und somit gut verkäuflich.« Wie aus dem Nichts zog er einen Memorystick hervor. »Könnten Sie den bitte an Ihren Rechner anschließen?«
Keine Minute später saßen beide einträchtig nebeneinander an Pauls Schreibtisch und starrten auf den großen Flachbildschirm. Blohfelds Stick enthielt mehrere, von Hand gezeichnete Bilder. Sie waren sämtlich sehr detailliert und zeugten vom sicheren Umgang mit der Feder. Es waren historische Bilder – und Paul erkannte viele von ihnen wieder.
»Die stammen von Hauser«, stellte Paul fest. »Warum zeigen Sie mir die?«
Blohfeld schmunzelte und zog eine Zigarre aus seiner Jacketttasche.
»Bitte nicht hier«, sagte Paul.
»Schade.« Blohfeld ließ die Zigarre wieder in seiner Tasche verschwinden. »Das sind Beweisfotos«, sagte er dann theatralisch. »Mordwerkzeuge, Gesichter potenzieller Täter, Details ihrer Kleidung. Das hat Hauser alles nach den ersten Anschlägen gezeichnet.«
»Bilder von beiden ersten Anschlägen?«, fragte Paul verblüfft. »Ich hatte angenommen, es gäbe nur Material über das Attentat auf der Insel Schütt.«
»Nein, auch den anderen Attentatsversuch nahm Hauser sehr ernst«, erklärte Blohfeld. »Sehen Sie hier: Im Juni 1829 warf sich in der Platnersanlage vor dem Tiergärtnertor ein Mann auf Hauser. Als sich Passanten näherten, floh er unerkannt.«
»Trotzdem noch einmal die Frage: Warum zeigen Sie mir diese Bilder?«
»Weil sie mein Trumpf im Ärmel sind«, sagte Blohfeld geheimnistuerisch. »Sollte sich die DNA-Spur als falsch erweisen, hänge ich mich an die Ermittlungen von damals.«
»Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen.«
Blohfeld klickte mehrmals mit der Maustaste und ließ eine geschwungene Unterschrift auf dem Bildschirm erscheinen.
Paul konnte mühsam das Wort »Feuer« entziffern. »Ritter von Feuerbach?«, fragte er verwundert.
»Genau, Anselm Ritter von Feuerbach«, las Blohfeld betont langsam vor. »Er leitete seinerzeit die Ermittlungen, wie Sie ja wissen. Und in seinen Aufzeichnungen bin ich auf diese Bilder und jede Menge Anmerkungen gestoßen – und auf einen vielversprechenden Hinweis.« Blohfeld wartete, um die Spannung zu steigern. »Feuerbach hatte offenbar verschiedene nach den früheren Attentatsversuchen sichergestellte Materialien aufbewahrt, darunter auch Kleidungsstücke. Sie galten später als verschollen, wahrscheinlich wurden sie vernichtet.«
»Und Sie glauben, dass Henlein in den Besitz von einem dieser Beweisstücke gelangt ist«, folgerte Paul.
Blohfeld nickte bedeutsam. »Ja. Wenn Sie mit Ihrem Argwohn gegenüber diesem Zetschke falsch liegen – was ich hoffe! – , könnte Feuerbachs Wille posthum dank unserer Zeitung doch noch erfüllt und die Täter von damals überführt werden.«
»Sie sind also wirklich davon überzeugt, dass Henlein das große Los gezogen hatte?«
»Auf jeden Fall«, sagte Blohfeld entschieden. »Ich
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