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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Bogenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft und über die Chancen für ein weltweites Renommee, welches Nürnberg durch das Ja zu mutiger Architektur bekommen würde.
    Spätestens bei dem Stichwort der mutigen Architektur hatten sich die Altstadtfreunde wieder auf ihre eigentlichen Vorhaben besonnen und suchten in ihren Jacken nach den eingesteckten Trillerpfeifen. Auch die Plakate wurden nun wieder trotzig in die Höhe gestreckt.
    Dr. Klier kam nicht mehr zu Wort. Es nutzte auch nichts, dass er sich, wie Paul spöttisch registrierte, auf die Zehenspitzen stellte und mit den Händen einen Trichter vor seinem Mund formte. Pfeifend und schimpfend zogen die Altstadtfreunde ab und kündigten drohend »Mahnwachen« und »Lichterketten« vor dem Franziskanerhof an.
    Während die Demonstranten an Paul vorbei dem Ausgang der Baustelle zuströmten, blieb er stehen, wartete einen Moment ab, dann wandte er sich an den abgekämpft wirkenden Architekten. »PR-Arbeit ist nicht immer leicht, was? Paul Flemming, Fotograf«, stellte er sich vor.
    Dr. Klier lockerte seine Krawatte. »Das kann man wohl sagen. Vor allem, wenn man ganz andere Sorgen hat, als unbelehrbare Ritterburg-Fans davon zu überzeugen, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind.« Dann sah er erschreckt auf: »Oh, Verzeihung. Gehören Sie auch zu denen?«
    »Nein, nein, keine Sorge«, sagte Paul, lächelnd über Kliers Ausrutscher. »Ich bin nur der Neugierde halber mitgegangen. Aber sagen Sie: Was gibt es denn für andere Sorgen hier auf dem Bau? Es sieht doch so aus, als würden Sie gut vorankommen.«
    »Leider nicht«, ging Klier auf die Frage ein. Er deutete in die Grube, auf deren Grund mehrere mächtige Pumpen arbeiteten und armdicke Schläuche sich mit Wasser füllten. »Läge der Standort nur etwas höher, wäre die Passage schon längst in Betrieb. So aber arbeiten wir quasi in amphibischem Terrain.«
    »Sie meinen: Es gibt Probleme mit der Pegnitz?«, fragte Paul.
    Klier sah ihn abschätzend an, wandte sich aber sogleich wieder der Baugrube zu. »Bei der offenen Grube in unmittelbarer Flussnähe kam in Absprache mit dem Baugrundsachverständigen nur die Wand-Sohle-Bauweise in Frage. Dafür haben wir Bohrpfahlseitenwände aus Beton zwanzig Meter tief in die Erde gesenkt und mit Bohrpfählen rückwärtig verankert; wir brauchen ja noch ausreichend Fläche für die unterirdischen Parkdecks.« Klier machte eine weit ausholende Handbewegung. »Spezialbagger mussten die Schächte ausheben – zeitweise sah es hier so aus wie an der Fränkischen Seenplatte.«
    »Ein aufwändiges Verfahren«, stimmte Paul dem Architekten zu.
    Dieser nickte eifrig. »Auf dem Grund dieser Seen haben unsere Maschinen die meterlangen Bohrpfähle ins Erdreich gestampft. Der Beton darüber bildete dann die Sohle.« Er sah Paul ernst an. »Aber die Pegnitz hat noch nicht aufgegeben. Immer mal wieder kommt es zu Rissen, die von Tauchern mit Kunstharz gekittet werden müssen. Das Ganze ist höchst ärgerlich.«
    »Es hört sich wirklich nicht nach einem Kinderspiel an«, sagte Paul.
    »Die Gruben sind unsere größte Leistung – schwieriger als jedes Hochhaus«, sagte Klier. »Im Grunde genommen handelt es sich bei der gesamten Untertagekonstruktion um einen gewaltigen Hohlraum, auf den von der Seite und vor allem von unten das Wasser drückt. Es erzeugt einen gewaltigen Auftrieb! Daher auch die massive Stahlbewehrung aller Betonwände, die dicken Grubensohlen und die komplizierte Statik der Treppenhäuser und Aufzugsschächte, die noch zusätzlich zur Aussteifung der unteren Geschosse herhalten müssen.«
    »Das Wasser macht Ihnen also weit mehr zu schaffen, als Sie ursprünglich dachten«, folgerte Paul und wurde hellhörig. Er fragte sich, wie sich dieser Mehraufwand wohl auf Schraders Finanzplanung auswirkte.
    Der Architekt löste seine Krawatte nun vollends. »Das Wasser ist unser großer Gegenspieler! Einige Elemente des Fundaments müssen wir sogar mit Druckluft gegen das Eindringen von Grund – und Flusswasser schützen. Ein kleiner Fehler reicht aus, um von einer Schlammmasse verschüttet zu werden.«
    »Schrader lässt sich dieses Projekt ja einiges kosten«, warf Paul möglichst arglos ein.
    »Ja, es wird ein symbolträchtiger Bau – trotz oder gerade wegen seines von den Altstadtfreunden angeprangerten formalen Minimalismus«, sagte Klier stolz. »Eine zwingend nötige Belebung der City.«
    Darauf hatte Paul nicht hinaus gewollt, also startete er einen neuen Versuch:

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