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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Zehenspitzen. Wohl um die Bedeutung seiner Worte hervorzuheben, dachte Paul verschmitzt.
    Hinter ihrem Chef trug Kellnerin Marlen mehrere große Porzellanteller an den Tisch. Jan-Patrick erklärte feierlich: »Gegrilltes Karpfenfilet in fränkischer Trüffel-Vinaigrette auf Edelgemüse aus dem Knoblauchsland.«
    Während Marlen die fein dekorierten Teller abstellte, blickte Paul in die Runde: Ihm gegenüber saßen Victor Blohfeld und Hannah, Katinka hatte sich zu seiner Rechten niedergelassen. Alle machten trotz der von Jan-Patrick kredenzten Köstlichkeiten keinen glücklichen Eindruck.
    Kein Wunder, dachte Paul. Es war ja auch ihr Abschiedsessen. Am morgigen Freitag würde Katinka nach Berlin fliegen. Diesmal für eine ganze Woche. Von »Vorgesprächen« hatte sie erzählt und von »Vertragsverhandlungen«, die ziemlich konkret werden würden. Beim Nürnberger Oberlandesgericht hatte man sie vorerst freigestellt.
    Missmutig sah Paul auf seinen Teller. Selbst das knusprige Fischfilet, das von zart gedünsteten Artischockenherzen, feinen Bohnen und goldgelbem Fenchel umrahmt und mit schwarzen Trüffelspuren bestreut war und köstlich duftete, konnte seine Laune nicht bessern.
    Katinka musste sein Unbehagen spüren, denn sie suchte unter der Tischplatte seine Hand und drückte sie fest.
    »Fränkische Trüffel?«, durchbrach Blohfeld das Schweigen und griff beherzt nach seinem Besteck. »Wo gibt’s denn so was?«
    »In Oberfranken, wenn Sie’s genau wissen wollen«, sagte Jan-Patrick leicht verschnupft ob Blohfelds schnodderigem Tonfall. »Aber wenn Sie von mir erwarten, dass ich Ihnen die ganze lange Geschichte der fränkischen Schiefertrüffel erzähle, haben Sie heute Abend keine Zeit mehr für andere Themen. Deshalb schlage ich vor: Lassen Sie es sich einfach schmecken!«
    »Schon gut«, winkte der Reporter ab, »aber ich werde bei Gelegenheit auf das Thema zurückkommen.« Dann widmete er sich seinem Essen.
    »Und Paul«, flüsterte Jan-Patrick seinem Freund noch im Vorbeigehen zu, »auch ohne deine Hilfe hab ich auf meine Annonce schon ein paar vielversprechende Antworten von ebenso vielversprechenden Damen erhalten.« Er grinste und ging dann leichten Schrittes zurück in seine Küche.
    Paul lächelte wehmütig. Gute eineinhalb Wochen waren seit Katinkas leidenschaftlichem Überraschungsbesuch in seiner Wohnung vergangen. Seitdem hatten sie jede Nacht miteinander verbracht. Sie hatten nicht viel geredet bei diesen Treffen. Schon gar nicht über das Reizthema Berlin, doch es ließ sich nicht verdrängen, und am Ende war es natürlich doch zu der unvermeidlichen Diskussion gekommen. Die alles entscheidenden Sätze hatten sich Paul tief ins Gedächtnis eingebrannt. Und er bekam sie auch heute – während er Katinkas warme Hand spürte – nicht aus seinem Kopf:
    »Paul«, hatte Katinka ihn resolut vor die Wahl gestellt, »ich kann deine Entscheidungsschwäche beim besten Willen nicht nachvollziehen. Du bist ein so interessanter Mann, und das sage ich nicht nur wegen deiner Ähnlichkeit mit George Clooney! Hinter deinem lässigen Äußeren und deinem desorientierten Benehmen lauert ein scharfer Verstand – der sehr genau weiß, was er will. Halte mich also bitte nicht länger zum Narren und sage mir, wofür du dich entschieden hast.«
    Paul befreite seine Hand aus Katinkas zarter Umklammerung und spießte lustlos eine Bohne auf die Gabel. Er würde nicht mit nach Berlin gehen, das hatte er ihr an ihrem letzten gemeinsamen Abend zu verstehen gegeben. Seine Entscheidung hatte er aus dem Bauch heraus getroffen, wirklich aktiv auseinandergesetzt hatte er sich mit dem heiklen Thema bis heute nicht.
    »Sie wollen also allen Ernstes den ersten attraktiven fränkischen Export seit Elke Sommer allein nach Berlin ziehen lassen?«, riss ihn Blohfeld aus seinen Gedanken. »Ist das das endgültige Bekenntnis zum ewigen Junggesellendasein?«
    Paul ließ die Gabel grob auf den Teller zurückfallen. Er wollte dem Reporter heftige Widerworte entgegensetzen, doch die blieben ihm im Hals stecken. Hatte Blohfeld den Nagel nicht auf den Kopf getroffen? Die meisten von Pauls damaligen Schulkameraden waren mittlerweile längst verheiratet und hatten Kinder. Pauls Jugendfreunde waren inzwischen über den ganzen Globus verstreut. Er hatte nicht mehr viele Bekannte, bei denen er so einfach vorbeischneien konnte – die wenigen verbliebenen konnte er an einer Hand abzählen. Und seine Familie? Er war Einzelkind, und zu seinen Eltern,

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