Payback
entschieden wird: im Bereich des Lernens und der Bildung. Unsere Praxis ist hoffnungslos veraltet und gut gemeinte Versuche, eine Art digitale Alphabetisierung durchzuführen, benutzen die Werkzeuge, so wie die Buschmänner in »Die Götter müssen verrückt sein« die Cola-Flasche.Völlig desinteressiert daran, dass die digitale Welt im Begriff ist, unsere Hirnverdrahtungen zu verändern wie seit der Erfindung des Lesens nicht mehr, behandeln viele Schulen und Universitäten die Maschinen weiterhin so, als seien sie Fernseher, die nur senden, und verschlimmern damit die kognitive Krise. Denn nicht nur die Computer sind reine Sender, auch die Lehrer und Professoren sind es allzu oft. Sie senden vom Pult ihre Informationen an die Empfänger, die Schüler, Studenten, die Lehrenden, und die wiederum halten es für »Aufmerksamkeit«, wenn sie den Professor anschauen.Wenn es je eine Maschinisierung gab, dann ist es diese.
»Bücher werden bald nicht mehr nötig sein… Der Erfinder dieses Systems verdient es, als einer der wichtigsten Beförderer des Lernens und der Wissenschaften gefeiert zu werden, ja womöglich ist er der größte Wohltäter der Menschheit überhaupt.« Das schrieb Josiah F. Burnstead, allerdings bereits 1841 zur Einführung der Kreidetafel in amerikanischen Schulen. Die Kreidetafel war in der Tat eine geniale Erfindung und brach mit Traditionen des bloßen Diktats. Aber das ist über 160 Jahre her. Zum Vergleich: Kann man sich vorstellen, dass im Jahre 2170 an irgendeiner Hochschule noch mit Powerpoint-Präsentationen unterrichtet wird? Auch Snellens Augentafel hielt fast so lange durch wie die Kreidetafel. Man muss sie umdrehen, um das Unerwartete zu sehen.
Denn die Antwort lautet nicht, dass Powerpoint-Präsentationen und Computer der Ausweg sind - wir haben gesehen, wie sie gedankenloses Denken produzieren können -, sie sind noch nichts anderes als Folterinstrumente, solange unsere Vorstellung vom Lernen weiter so funktioniert, als stünde einer an der Tafel und verbreite Informationen. Die Informationen hat jeder. Aber was Menschen verzweifelt lernen müssen, ist, welche Information wichtig und welche unwichtig ist. Das ist womöglich die große Stunde der Philosophie. Denn egal wie viele Computeranimationen man benutzt - wenn man nicht begreift, dass wir heutzutage Wissen nicht mehr nur aufnehmen, sondern permanent selbst produzieren - so wie jede Google-Anfrage eine Antwort für Google ist, jede GPS-Abfrage eine Antwort für GPS -, dass jede Diskussion in einem Seminar oder Klassenzimmer potenziell über Youtube oder das Google-Scholar zum Wissen beiträgt (worauf dann zu entscheiden ist, wie sehr), ersticken wir in der Eindimensionalität des bloßen Lernens. Wir rasen »auf dem Datenhighway«, aber wir produzieren, was der große Medientheoretiker Marshall McLuhan den »Rückspiegel-Effekt« nannte: »Wir übersetzen alles Neue in die Formen der Vergangenheit.« 165 So entstehen die verhängnisvollen Scripte, die uns wie Drehbücher in vorgegebene Rollen und Verhaltensmuster zwingen. Den Blick fest in den Rückspiegel gerichtet, übersehen wir fast vollständig die neuen Wege, die wir nehmen könnten.
»Informelles Lernen« war lange Zeit ein Geheimtipp idealistischer Pädagogen in der Erwachsenenbildung. Gemeint ist heute damit ein Lernen, das das pure Wissensgedächtnis entlasten will und stattdessen zu dem erziehen will, was auch die Patienten von Ellen Langer erlebt haben: Perspektivwechsel, nicht-algorithmische, also völlig unberechenbare Lösungsansätze. Wie überall in der Welt der neuen Technologien gibt es auch hier Extremisten und Evangelisten, die oft nichts anderes als ein Geschäftsmodell an den Kunden bringen wollen. Aber ob die Methoden nun auf das (sehr begrüßenswerte) »Ent-Konferenzen« von Arbeitsplätzen zielen oder auf die Befreiung von den Erinnerungen an das falsche Lernen in der eigenen Schulzeit, wie es der Managementberater Jay Cross versucht, es geht im besten Fall darum, Menschen das tun zu lassen, was sie am besten können - und das zu entrümpeln, was die Computer uns abnehmen.
Die Befreiung, die digitale Informationen für all die Aufgaben bedeuten, die Computer besser können als wir, ist in den meisten Schulen oder Universitäten noch nicht angekommen. Stattdessen hat ein darwinistischer Wettlauf zwischen Mensch und Maschine begonnen. Nur wenige haben erkannt, dass es wichtiger ist, Hypothesen, Faustregeln (Heuristiken) und Denkweisen zu lehren und zu
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