Peacemaker
amerikanischen Politikhimmel bezeichneten. Bevor Gideon nach Kolumbien aufgebrochen war, hatte Präsident Diggs angedeutet, dass ihn einige Parteigrößen für eine der bevorstehenden Wahlen in Betracht zogen. Gerüchten zufolge gehörte Gideon sogar zur engeren Auswahl des Präsidenten, was mögliche Kandidaten für die Vizepräsidentschaft anbelangte. All das hatte Gideon ziemlich überrascht, da er nie echte politische Ambitionen gehabt hatte. Er war nicht daran interessiert, sein Privatleben durchleuchten zu lassen und die unvermeidlichen Kompromisse einzugehen, die mit einem öffentlichen Amt einhergingen. Doch die Aussicht darauf, über genug Macht zu verfügen, um im Weltgeschehen tatsächlich etwas bewirken zu können, hatte Gideon veranlasst, seinen Standpunkt zu überdenken. Sie war einer der Gründe, weshalb er sich bereiterklärt hatte, sich in seinen Smoking zu zwängen und vom Präsidenten, der jetzt zum Ende seiner Einleitung gelangte, diese Auszeichnung in Empfang zu nehmen.
»… hat dieser Mann nicht einfach nur Brücken gebaut, sondern sich dem ältesten und ehrwürdigsten Eckpfeiler unseres Moralkodex verschrieben: Du sollst nicht töten. Daher ist es mir eine große Ehre, Gideon Davis die Friedensmedaille der Vereinten Nationen überreichen zu dürfen.«
Gideon ging von einer großzügigen Woge Applaus getragen zum Podium. Er schüttelte dem Präsidenten die Hand, dann senkte er den Kopf, damit ihm dieser die bebänderte Medaille um den Hals hängen konnte.
»Vielen Dank, Mr President«, sagte Gideon, ehe er einige andere Staatsoberhäupter begrüßte, deren Begrüßung die Etikette verlangte. »Das ist eine große Auszeichnung, und ich nehme sie mit Dankbarkeit und Demut entgegen. Wie alle in diesem Raum wissen, bedeutet Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg … Frieden bedeutet auch, dass keine Armut und keine Ungerechtigkeit herrschen. Die wirkliche Arbeit liegt noch vor uns, und der Erfolg hängt letztendlich von der diplomatischen und der wirtschaftlichen Unterstützung aller Länder ab, die heute in diesem Raum vertreten sind.« Während Gideon fortfuhr, über die Notwendigkeit internationaler Solidarität zu sprechen, sah er, wie eine Frau in einem roten Kleid ein Gähnen unterdrückte. Er verlor die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Doch das hielt ihn nicht davon ab, das Argument vorzubringen, das er vorbringen wollte: dass die wahren Helden die Männer und Frauen in Kolumbien seien, die den Mut aufgebracht hatten, aufeinander zuzugehen und die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, die so viele ihrer Landsleute das Leben gekostet hatte. »Mit Ihrer Unterstützung werden ihr guter Wille und ihre harte Arbeit vielleicht dazu führen, dass dieser Frieden gerecht und von Dauer ist. Sie sind diejenigen, die wir heute Abend ehren sollten. Und deshalb möchte ich diese Auszeichnung mit ihnen teilen.« Er nahm die Medaille ab und hielt sie über seinem Kopf hoch.
Doch seine Geste stieß auf Schweigen.
Ich habe es vermasselt, dachte Gideon. Diese Leute waren nicht hierhergekommen, um an ihre moralischen und wirtschaftlichen Verpflichtungen erinnert zu werden. Sie waren gekommen, um sich gut zu fühlen. Sie waren in der Erwartung gekommen, von Gideon die selbstgefälligen Phrasen aufgetischt zu bekommen, die dafür sorgten, dass die Vereinten Nationen im Geschäft blieben. Gideon rügte sich selbst dafür, jemals etwas anderes geglaubt zu haben. Und er wünschte sich, er hätte sich eine Ausrede einfallen lassen, um zu Hause bleiben und etwas Schlaf nachholen zu können.
Doch dann setzte der Applaus ein. Plötzlich und bestimmt, wie ein Donnerschlag, gefolgt von einem Platzregen, der nicht nachließ, bis der Raum vom kollektiven Beifall aller Personen im Publikum überflutet wurde. Selbst die Frau im roten Kleid klatschte. Und für einen Augenblick gestattete sich Gideon den leisen Anflug einer Hoffnung, dass die Waffenruhe, an der er so hart gearbeitet hatte, womöglich halten würde. Zumindest eine Zeit lang.
Ein paar Minuten später wurde Gideon in einen großen Nebenraum geführt. So erfolgreich seine Ansprache auch gewesen sein mochte, er machte sich keine Illusionen. Sie würde keinen echten Einfluss auf die Waffenruhe haben. Ansprachen zu halten war einfach. Den Enthusiasmus von Politikern und Diplomaten in Taten umzusetzen, war eine viel schwierigere Aufgabe. Bei den meisten Anwesenden konnte man nicht darauf zählen, dass sie sich an die weinseligen Versprechen halten würden, die
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