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Peacemaker

Peacemaker

Titel: Peacemaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Gordon
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kleineren Fahrzeug, vermutlich von einem Quad. Gideon schätzte, dass in der Ortschaft etwa zweihundert Menschen gelebt haben mussten, doch die Hütten und die angrenzenden Felder waren allesamt niedergebrannt worden.
    Was ging in dieser Gegend vor sich? Immer mehr deutete darauf hin, dass ein ausgewachsener Krieg im Gange war – ein Krieg, der von etwas begleitet wurde, das ethnischer Säuberung glich.
    Während er Pause machte, sah er etwas Rotes auf dem Boden liegen. Eine Blume. Eine rote Blume. Er bückte sich und hob sie auf.
    Es handelte sich um eine Mohnblume. Er warf einen Blick auf die Felder. Und dann sah er es. Die Felder waren größtenteils verbrannt, aber nicht vollständig. Opium-Mohnblumen. Irgendjemand baute hier oben Opium an.
    Ihm blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken, was das bedeutete – falls es überhaupt etwas bedeutete. Er lief weiter.
    Der Weg wurde breiter, als er aus der niedergebrannten Ortschaft hinausführte, und hatte parallele Spurrillen, die vermutlich von regelmäßigem Quad-Verkehr stammten. Er war breiter als der Pfad, auf dem er zuvor gelaufen war, aber von Unkraut überwuchert, als sei er in letzter Zeit nicht oft benutzt worden.
    Als Gideon die Zehntausendermarke erreichte, fing sein Körper an zu rebellieren. Zu Hause, mit guten Laufschuhen, wenn er ausgeschlafen war und ausgiebig gegessen hatte, wäre es reine Routine für ihn gewesen, fünf Meilen zu joggen. Doch er hatte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden nur ein paar Bissen zu sich genommen und seit achtundvierzig Stunden nicht mehr richtig geschlafen. Deshalb konnte von Routine keine Rede sein. Er lief weiter, aber seine Beine fühlten sich an wie aus Blei, sein Kopf pochte, und seine Lunge schmerzte. Jeder Schritt glich einem Willensakt.
    Doch er gönnte sich keine Pause. Die Hitze war hier im Hochland nicht allzu schlimm, aber er wusste, dass er einen Flüssigkeitsmangel hatte. Ohne etwas zu trinken würde er nicht mehr lange durchhalten. Als er bei fünfzehntausend ankam, machte er schließlich Halt, um die Feldflasche auszutrinken. Er lehnte sich gegen einen Baum. Bevor er sich’s versah, saß er auf dem Boden und starrte mit getrübtem Blick in das dunkle Baumkronendach des Dschungels hinauf. Einen Moment lang konnte er sich nicht mehr erinnern, wo er sich befand. Ein Affe tauchte auf und beäugte ihn neugierig, dann sprang er auf einen anderen Ast, stieß einen Schrei aus und verschwand wieder im Halbdunkel. Gideon versuchte, sich zum Aufstehen zu zwingen, doch sein Körper hatte immer wieder neue Ausreden parat.
    Er schloss die Augen und dachte an den Tag, an dem sein Vater und seine Mutter gestorben waren. Er ist der Grund, weshalb ich hier bin, dachte er. Wer auch immer mein Bruder jetzt ist, was auch immer aus ihm geworden ist, ich bin wegen ihm hier. Er stellte sich seinen Bruder vor, wie er mit schrecklich leerem Blick auf den Treppenstufen saß, die zu ihrer Haustür führten.
    Und dann war Gideon wieder auf den Beinen und stieß tiefer in den Dschungel vor. Hin und wieder durchquerte er einen Bach. Er musste sich beherrschen, um nicht stehen zu bleiben, sich in den Bach zu legen und Wasser in seinen Mund strömen zu lassen.
    Ihm war bewusst, dass er irgendwann an einen Punkt kommen würde, an dem Dysenterie eine geringere Gefahr darstellte als akute Dehydrierung. Doch er redete sich beharrlich ein, dass er diesen Punkt noch nicht ganz erreicht hatte.
    Die Sonne stand jetzt höher in den Bäumen. Er spürte, dass er immer benommener wurde und immer weniger klar denken konnte.
    Der Weg, auf dem Gideon lief, hatte eine Weile Richtung Süden geführt. Es war keine Kunst gewesen, sich nicht zu verlaufen. Plötzlich gelangte er jedoch an eine Gabelung.
    Er blieb stehen. Links oder rechts? Er blickte nach oben und versuchte, anhand der Sonne zu bestimmen, wo Süden war. Doch die Sonne stand jetzt hoch am Himmel, und es war schwieriger, Osten und Westen zu unterscheiden. Beide Wege waren gleich stark zerfurcht. Keine Schilder, keine Markierungen, nichts, was darauf schließen ließ, wohin sie führten.
    Nach einer Weile fiel ihm auf, dass er lange Zeit einfach nur dagestanden und in die Luft gestarrt hatte. Er wusste allerdings nicht, wie lange. Sein Mund fühlte sich an, als sei er voll Sand.
    Irgendwo in seinem Hinterkopf sagte eine Stimme: Okay, das war’s. Es wird Zeit, Wasser zu finden.
    Aber wo?
    Zuvor hatte es den Anschein gehabt, als würde er alle fünf Minuten platschend durch einen Bach

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