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Peacemaker

Peacemaker

Titel: Peacemaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Gordon
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Mahlzeit kauerte Gideon sich im schummrigen Licht zusammen und überlegte, was als Nächstes zu tun war. Wer auch immer diese Männer waren, wenn er auf demselben Weg zurückging, auf dem er gekommen war, würden noch mehr von ihnen auf ihn warten. Wenn er seinen Bruder finden wollte, blieb ihm ohnehin nichts anderes übrig, als zu versuchen, nach Kampung Naga zu gelangen.
    Am Tag zuvor waren die Hochlandbewohner und er ziemlich schnell marschiert. Vermutlich hatten sie etwa zehn Meilen zurückgelegt. Er holte seine Landkarte hervor. Wenn er den Maßstab richtig las, hatte er noch immer mindestens fünfzehn Meilen vor sich. Vielleicht sogar mehr. Und das setzte voraus, dass er überhaupt die richtige Richtung einschlug. Die Ortschaft lag im Süden. Er konnte sich natürlich an der aufgehenden Sonne orientieren. Doch das war nicht dasselbe, als wenn er einen Kompass gehabt hätte. Wenn er nur um ein paar Grad nach Westen oder Osten abwich, würde er sein Ziel womöglich ganz verfehlen.
    Er sah sich um. Langsam drang Tageslicht durch den schweren Baldachin aus Blättern nach unten. In seinen Augen wirkte alles seltsam: die breitblättrigen Büsche, die knorrigen Stämme der großen Bäume, die merkwürdigen Früchte, die hier und da hingen, die Lianen, die sich nach oben in die grüne Ferne wanden.
    Als Kinder hatten Tillman und er Stunden damit zugebracht, in den Wäldern und auf den Feldern in der Umgebung ihres Elternhauses spazieren zu gehen. Als er in die Junior-Highschool kam, kannte er jede Pflanze, jeden Busch und jede Beere. Er wusste, welche Beeren man essen konnte und welche nicht, von welchen Beeren man Durchfall bekam, welche Pflanzen Juckreiz oder Ausschlag verursachten, an welchen man sich schneiden oder stechen konnte. Hier kam er sich vor wie ein Baby – dem Dschungel völlig ausgeliefert. Selbst das Heulen und Schreien der Tiere, das um ihn herum ertönte, war ihm fremd.
    Er musste sich in Bewegung setzen. Mit jeder Minute, die er hier verbrachte, war er dem Tod eine Minute näher. Je früher er dort ankam, wohin er unterwegs war, desto eher würde er wissen, ob er sein Ziel erreicht oder verfehlt hatte.
    Als Gideon aufstand, spürte er die Blasen, die sich an seinen Füßen gebildet hatten, stärker als zuvor. Er maß die toten Männer mit Blicken, dann zog er dem größten von ihnen die Schuhe und Socken aus und schlüpfte hinein. Sie waren eng, aber immer noch besser als seine durchnässten Budapester.
    Er begann, den Pfad entlangzujoggen – nur in einem langsamen Trab, jedoch schnell genug, um in gut anderthalb Stunden zehn Meilen zurückzulegen. Sein Tempo würde ihn zwingen, seinen Wasservorrat etwas schneller aufzubrauchen, doch er war überzeugt, dass es sich dabei trotzdem um die beste Strategie handelte. Hätte er sich zu Hause in einem Nationalpark verlaufen, wäre eine vorsichtigere, »Unterschlupf suchen und auf Hilfe warten«-Taktik vermutlich das Schlaueste gewesen. Doch hier würde keine Hilfe kommen. Und die Einzigen, die nach ihm suchten, wollten ihn töten.
    Im Laufen zählte er seine Schritte. Er nahm an, dass seine Schrittweite etwa einen Meter zehn betrug. Das waren etwa fünfzehnhundert Schritte pro Meile. Zu Hause joggte er regelmäßig – an den meisten Tagen vier Meilen, manchmal auch fünf. Mehr als sieben Meilen am Stück war er seit dem College nicht mehr gelaufen. Würde er fünfzehn laufen können?
    Wahrscheinlich. Es war allerdings nicht gut, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Also lief er und zählte, lief und zählte.
    Kurz nach der Zweitausendermarke stieß er auf die erste Ortschaft. Im Gegensatz zu dem Ort, den er am Tag zuvor mit den Einheimischen passiert hatte, war dieser nicht niedergebrannt worden. Allerdings war weit und breit kein Mensch zu sehen. In den Hütten verwesten Nahrungsmittel. Wer auch immer von hier fortgegangen war, hatte so überstürzt das Weite gesucht, dass keine Zeit mehr geblieben war, um Nahrung mitzunehmen.
    Aus der Ortschaft führten mehrere schmale Pfade, aber nur ein breiter Weg verlief in Richtung Süden. Gideon trank ein paar Schlucke Wasser, entschied sich für den breiten Weg und lief weiter.
    Bei der Achttausendermarke erreichte er eine weitere Ortschaft. Diese war größer als die letzte und schien sich näher an der Zivilisation zu befinden. Es gab zwar keinen Strom, dafür aber Lampen, Vierliterdosen mit Kerosin und Reifenspuren auf dem Boden. Die Spuren stammten allerdings nicht von einem Auto, sondern von einem

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