Pechstraehne
wohne dort drüben in dem Haus.«
Lenz sah ihn fragend an.
»Ja, Herr Lohrmann. Haben Sie vielleicht etwas beobachtet, das uns weiterhelfen könnte?«
Der Mann schüttelte betreten den Kopf.
»Nein, das nicht. Und vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, wie ich gedacht habe.«
»Na, na«, mischte Hain sich aufmunternd ein. »Für uns ist alles wichtig.«
Damit zog er den Nachbarn sanft ein paar Meter hinter sich her, bis sie außerhalb der Hörweite der Journalisten waren.
»Also, was wollten Sie uns mitteilen?«, fragte Lenz, der nun sein Gegenüber etwas eingehender musterte. Kakifarbene Leinenhose, helles Hemd, lässige Bräune, insgesamt eine sehr gepflegte Erscheinung. Nur die Schuhe nach Art von Gesundheitstretern wollten dem Kommissar nicht recht gefallen.
»Es ist doch richtig, dass Herr Vontobel erschossen wurde, oder?«
Lenz legte bedauernd die Stirn in Falten.
»Ich bitte Sie um Verständnis dafür, Herr Lohrmann, dass wir zum Stand der Ermittlungen und zu den Einzelheiten darüber, was sich im Haus abgespielt hat, keine Angaben machen können.«
»Ja, das verstehe ich. Allerdings …«
»Was allerdings?«
»Es ist vielleicht ein wenig dumm von mir gewesen, so einfach hier aufzutauchen, aber …«
Er schluckte.
»Meine Frau hat mich übrigens auch davor gewarnt, es zu tun.«
»Okay«, nickte Hain sehr verständnisvoll. »Das ist alles gut und schön, aber es hilft uns nicht weiter, wenn wir nicht wissen, wovon Sie reden, Herr Lohrmann.«
Der Angesprochene zog ein sorgsam gefaltetes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und tupfte sich damit die Stirn ab.
»Ich muss etwas weiter ausholen, wenn ich Ihnen das erzähle, worum es mir geht.«
»Bitte, nur zu.«
Der etwa 70-jährige Mann sammelte sich, wischte sich ein weiteres Mal über die Stirn, faltete das Taschentuch ordentlich zusammen und steckte es weg.
»Ich war bis zu meiner Pensionierung vor acht Jahren Filialleiter in einer Bank hier in Kassel, das muss ich vorausschicken. Ohne das Wissen über diese Tatsache können Sie mit meinen Informationen vermutlich nur bedingt etwas anfangen.«
Anfangen ist ein gutes Stichwort, dachte Lenz.
»Ich habe die komplette Bankkarriere hinter mir. Angefangen als Lehrbursche, so hieß das damals noch, und hochgearbeitet bis zum Filialleiter. Natürlich habe ich mich immer weitergebildet, anders wäre das ja gar nicht gegangen.«
Erneut kam das Taschentuch zum Vorschein und an der Stirn zum Einsatz.
»Wir haben zu meiner Zeit noch ehrliche Arbeit abgeliefert. Grundehrliche Arbeit. Das scheint heute jedoch vielfach nicht mehr der Fall zu sein. Und ein höchst unrühmliches Beispiel für den neuen Stil stellte Herr Vontobel dar. Das weiß ich aus erster Hand.«
»Hatten Sie dienstlich mit ihm zu tun?«, wollte Hain wissen.
»Oh nein, wo denken Sie hin! Dienstlich hatte ich niemals etwas mit ihm zu tun, aber als Anleger. Und was das angeht, hat er sich nicht mit Ruhm bekleckert, das kann ich Ihnen versichern.«
»Wie meinen Sie das? Können Sie ein wenig genauer werden?«
»Er hat mich letztes Jahr einmal auf der Straße angesprochen. Wir kannten uns vom Sehen, so wie man halt etwas entfernter wohnende Nachbarn kennt. Einmal«, wies er auf die Garage, »hatten wir uns über seinen Mercedes unterhalten, aber nicht sehr ausführlich. Und dann hat er mich angesprochen und mir eine angeblich wirklich gute Kapitalanlage angeboten. Und ich Hornochse war auch noch naiv genug, mich darauf einzulassen.«
»Und haben dabei Geld verloren?«
»Nicht nur Geld. Auch einiges von meinem Ansehen, denn ich war so verblendet, dass ich noch anderen Menschen zu diesem Investment geraten habe. Freunden und Bekannten.«
»Und die haben sich natürlich auf Ihren Rat verlassen und ebenfalls Geld verloren.«
»Genau, ja.«
»Was war das denn für ein Anlagetipp?«, wollte Lenz wissen.
Lohrmann sah skeptisch von einem der Polizisten zum anderen.
»Ich bin nicht sicher, ob das Ihren Sachverstand in Finanztransaktionen nicht überfordern würde, meine Herren. Aber vereinfacht ausgedrückt hat er uns allen Aktien empfohlen, die sich dann als veritable Blindgänger entpuppt haben.«
»Und Sie meinen«, legte der Hauptkommissar nach, »dass sich einer von den Leuten, die auf Vontobels Tipps gehört haben und dabei gerupft wurden, an ihm gerächt haben könnte? Für einen miesen Tipp?«
»Sehr richtig, exakt das meine ich.«
Nun warfen Lenz und Hain sich einen Blick der Marke › geht’s noch?‹ zu.
»Ja,
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