Pechstraehne
»Auswärtige Termine sind nun einmal wichtig, denke ich.«
»Sie können sich Ihre Ironie sparen!«, platzte es laut aus van Roon heraus, während seine Gesichtsfarbe sich ins Dunkelrote bewegte. Offenbar war der Mann einfach nicht stressfest. »Und wenn Sie in Zukunft etwas mit einem Mitarbeiter der Bank besprechen möchten, schicken Sie ihm einfach eine Vorladung. Dann werden wir sehen, wie wir damit umgehen. Von weiteren Besuchen bitte ich deshalb ab sofort Abstand zu nehmen.«
Er stand wütend auf.
»Und jetzt darf ich Sie bitten, das Haus zu verlassen.«
*
»So elegant bin ich noch nie irgendwo hinausgeworfen worden«, fasste Lenz die Situation zusammen, nachdem sie auf der Straße und damit in der Hitze des Nachmittags angekommen waren. »Aber trotzdem brauche ich jetzt erst mal was zu trinken. Und ein kleiner Snack wäre auch nicht schlecht.«
»Gute Idee«, stimmte Hain zu. »Bleibt nur die Frage, wohin, und wer mit dem Bezahlen dran ist?«
»Das wohin entscheide ich, das Bezahlen übernimmst du«, beschied Lenz seinem Mitarbeiter grinsend.
Eine knappe Stunde später hatte jeder der beiden Kripobeamten eine asiatische Mahlzeit verdrückt und je einen Liter Wasser intus.
»Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich diesen van Roon in einer Zelle schmoren lassen, bis er darum bittet, mit uns zusammenarbeiten zu dürfen.«
»Ja, diese Allmachtsfantasien hatte ich auch zu Beginn meiner Karriere«, lachte Lenz laut auf. »Aber weitergeholfen hat so was noch nie. Als deutlich zielführender hat sich noch immer gute Polizeiarbeit herausgestellt.«
»Und wie könnte die in diesem Fall aussehen?«
»Zunächst machen wir …«
Lenz stockte, griff zu seinem vibrierenden Telefon und meldete sich.
»Ich bin’s, RW. Wo steckst du?«
»Beim wohlverdienten Mittagessen. Warum, was gibt es denn?«
»Wo genau nimmst du denn dein wohlverdientes Mittagessen ein?«
»Beim Chinesen im City-Point.«
»Das ist gut«, resümierte Gecks zufrieden. »Dann lass mal ganz schnell die Stäbchen fallen und schieb deinen Arsch auf möglichst geradem Weg ins Präsidium. Hier ist nämlich vorhin etwas angekommen, das dich garantiert interessieren wird.«
»Was angekommen?«, fragte Lenz mit gekräuselter Stirn zurück. »Hat ein berittener Melder ein Bekennerschreiben zu unserem Fall abgegeben?«
»Nicht ganz, aber ziemlich dicht dran. Also, Paul, ich erwarte dich in spätestens zehn Minuten in meinem Büro.«
Es klackte in der Leitung, und das Gespräch war beendet. Hain sah seinen Kollegen fragend an.
»RW. Wir sollen sofort ins Präsidium kommen, dort ist irgendetwas angekommen .«
»Das habe ich gehört, dass etwas angekommen ist. Wie meint er denn das?«
»Keine Ahnung, das hat er mir nicht erzählt.«
Der Hauptkommissar stand auf und wandte sich Richtung Ausgang.
»Vergiss das Bezahlen nicht«, rief er Hain dabei zu.
Rolf-Werner Gecks erwartete seine Kollegen schon höchst ungeduldig. Als die beiden endlich in seinem Büro ankamen, sprang er aufgeregt von seinem Schreibtisch auf.
»Das hätte sicher ein paar Minuten schneller gehen können, Jungs.«
»Ja, RW, vielleicht, aber wenn das, was du auf der Pfanne hast, so wichtig ist, hättest du mir doch sagen können, um was es geht.«
Gecks machte keine Anstalten, auf die Bemerkung seines Chefs einzugehen. Vielmehr griff er zu dem Monitor auf seinem Schreibtisch, drehte ihn um etwa 90 Grad nach rechts und wies seine Kollegen an, sich zu setzen.
»Das, was wir uns jetzt anschauen, ist vor ungefähr einer Stunde über den ganz normalen E-Mail-Account des PP-Nordhessen ins Haus geflattert mit der Bitte, es an die Mordkommission weiterzuleiten. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Kollegen das erledigen konnten, aber ich glaube, dass es ziemlich wichtig ist für uns, deshalb habe ich euch gleich angerufen.«
Er bediente ein paar Tasten auf der Tastatur und lehnte sich zurück. Auf dem großen LCD-Monitor öffnete sich das Fenster eines Programms, und ein paar Sekundenbruchteile später begann ein Film zu laufen. Zu sehen war die neonbeleuchtete Szenerie einer Toilette, aufgenommen mit einem Weitwinkelobjektiv, das nahezu den ganzen Raum erfasste. Neben den vier Toilettenkabinen gab es zwei Urinale und, durch eine offen stehende Tür zu erkennen, ein Waschbecken in einem Vorraum. Als die mitlaufende Uhr am unteren Bildschirmrand 33 Sekunden anzeigte, trat ein Mann ins Bild, wusch sich die Hände, wobei nicht sein gesamter Körper zu sehen war, und verschwand
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