Pechstraehne
erteilen.
»Herr Gieger empfängt zurzeit keine Besucher, da muss ich Sie leider enttäuschen.«
Sie blickte erneut auf die Plastikkarte in der Hand des Kommissars, dann auf einen Terminplaner, der auf ihrem Schreibtisch lag, und zeigte im Anschluss einen endlos traurigen Gesichtsausdruck.
»Sind Sie sicher, dass Sie heute einen Termin mit Herrn Gieger haben?«
»Nein, wir haben keinen Termin. Wir ermitteln in einer Mordsache.«
»Ich dachte, der Mord an Herrn Vontobel sei aufgeklärt?«
»Wegen dem sind wir auch nicht hier«, platzte es aus Lenz heraus. »Und jetzt melden Sie uns bitte bei Herrn Gieger an.«
»Wie ich schon sagte …«
»Es interessiert mich nicht, was Sie sagten. Und wenn Sie uns nicht bei ihm anmelden, müssen Sie sich am Ende dafür rechtfertigen, dass wir ihn aufs Präsidium vorladen mussten. Möchten Sie das?«
Seine letzten Worte hatten einen schneidenden Klang angenommen.
»Nein, natürlich möchte ich das nicht«, erwiderte die Frau mit einem Griff zum Telefonhörer. Dann folgte ein kurzes, sehr leise geführtes Gespräch, das sie nach ein paar Sekunden beendete.
»Herr Gieger ist leider gar nicht im Haus«, erklärte sie kleinlaut. »So gern ich also wollte, ich kann Ihnen nicht zu einem Gespräch mit ihm verhelfen.«
»Und wer hat Ihnen das erzählt?«, mischte Hain sich aus dem Hintergrund ein. »Können wir vielleicht mit dem Herrn oder der Dame sprechen?«
»Das war Herr van Roon, unser Justiziar, mit dem ich telefoniert habe. Aber ich glaube auch in seinem Fall nicht, dass er für Sie zu sprechen ist.«
»Das lassen Sie mal unsere Sorge sein«, bremste Lenz den Pessimismus der Bankmitarbeiterin. »Sagen Sie uns einfach, wo wir ihn finden.«
»Das darf …«, wollte sie erwidern, doch ein Blick in das Gesicht des Hauptkommissars ließ die Frau den Gedanken verwerfen.
»Mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock, dann nach links, bis es nicht mehr weitergeht. Dort finden Sie seine Sekretärin, bei der Sie sich anmelden können.«
»Danke«, flötete Hain aufgekratzt. »Und sehen Sie bitte davon ab, ihn über unsere Stippvisite zu informieren. Wir stehen nämlich unglaublich darauf, unsere Kundschaft zu überraschen.«
Sie ließen die mit offenem Mund hinter ihrem Tresen stehende Frau zurück und betraten den Fahrstuhl, dessen Türen sich nahezu lautlos hinter ihnen schlossen.
»Na, brauchst du für die paar Höhenmeter meinen seelischen Beistand«, spielte Hain auf die latent auftretende Fahrstuhlphobie seines Chefs an. »Soll ich dir die Hand halten?«
»Nein, lass mal. Wenn ich wütend bin, habe ich keine Probleme.«
»Und du bist jetzt wütend?«
»Darauf kannst du wetten.«
Der Lift verlangsamte, stoppte, die Türen fuhren auseinander, und kurz darauf standen sie vor der letzten Tür des langen Flurs. Hain klopfte und trat, ohne auf eine Reaktion zu warten, in das Zimmer.
»Ja …«, hob die hinter dem Schreibtisch sitzende Frau perplex den Kopf. »Was …«
»Wir sind von der Polizei und würden gern mit Herrn van Roon sprechen.«
»Das …«
Hinter ihrem Rücken wurde eine Tür geöffnet, und der Justiziar betrat das Büro. Sein Gesichtsausdruck erinnerte an den von Peer Steinbrück, nachdem man ihm auf einer Pressekonferenz vorgeworfen hatte, es bei den Angaben zu seinen Nebeneinkünften mit der Wahrheit nicht allzu genau genommen zu haben. Und irgendwie erinnerte nicht nur das den Leiter der Kasseler Mordkommission an den SPD-Politiker.
»Lassen Sie mal, Frau Heinzemann, die Herren sind von der Polizei und tun nur ihre Pflicht. Und dabei wollen wir sie nicht behindern, auch wenn uns das als große Belästigung erscheint.«
Er machte eine einladende Geste und bat die Beamten, ihm in sein Büro zu folgen.
»Was also kann ich für Sie tun?«, fragte er mit aufgesetzter Freundlichkeit, nachdem er hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. Lenz funkelte den Mann mit zu schmalen Schlitzen verengten Augen an.
»Wie Sie bereits erfahren haben dürften, hat die Nordhessenbank erneut zwei Mitarbeiter aus dem Bereich Investmentbanking verloren, Herr van Roon.«
Der Justiziar kratzte sich am Kinn und versuchte, dabei einen traurigen Eindruck zu machen.
»Ja, ich hörte davon. Ein tragischer Unfall, wie er leider viel zu häufig vorkommt.«
»Allerdings. Und zufällig sitzen in genau dem Wagen, der von einem Betonmischer in Grund und Boden gerammt wird, zwei Ihrer Mitarbeiter, die sich, wie man hört, auf den Tod nicht leiden konnten. Macht Sie das nicht
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