Pechvogel
fühlte sich verstanden. Ein gutes Gefühl.
»Weil du was von Chartstürmer gesagt hast. Ich habe auch ein paar CDs mitgebracht, wenn es dir nichts ausmacht.«
»Nein, ist okay. Was hast du denn dabei?«
»Eine Kuschelrock und zwei von meinem Liebling Eros Ramazotti«, sagte Gabi mit Sabber im Mundwinkel.
»Das ist ja schön«, sagte Richard gedehnt.
Richard mochte Musik. Vor allem Rock und auch Dance, wenn es auf einer Party gespielt wurde. Was er nicht mochte, war Eros Ramazotti. Er verstand ihn einfach nicht. Aber weitaus schlimmer waren noch der ARD-Musikantenstadl oder die ZDF-Musiksendungen, und die Musik, die da gespielt wurde. Das zu hören, wünschte er seinem schlimmsten Feind nicht.
»Bei dem seiner italienischen Engelsstimme kann ich immer so gut zeichnen.«
»Ah, wunderbar.« Richard kam aus dem gedehnt Sprechen gar nicht mehr heraus.
»Wo kann ich die Staffelei aufstellen?«
»Wollen wir nicht erstmal essen, Gabi?«
»Nein, wo denkst du hin. Da bekommst du am Ende noch einen Kugelbauch vom vielen Essen und das macht sich nicht gut. Erst zeichne ich dich und dann sehen wir weiter. Du denkst dann gar nicht mehr ans Essen. Versprochen, Richard.«
»Aber ich habe heute noch fast nichts gegessen«, sagte er.
»Einmal etwas weniger essen macht nichts. Im Gegenteil, für das Bild ist es optimal.«
»Ja, wenn es für das Bild gut ist …«
»… dann war deine Entscheidung, heute wenig zu essen, genau richtig. Richard, du bist schon auf dem Weg zum perfekten Aktmodell.«
»Schön«, sagte Richard gedehnt.
Gabi legte eine ihrer Eros-Ramazotti-CDs ein und baute ihre Staffelei vor dem Couchtisch auf. Aus dem Folterkoffer holte sie ihren Zeichenstift hervor. Richard war noch so freundlich und holte einen Stuhl aus der Küche, damit sich Gabi hinsetzen konnte, während sie ihn nackt zeichnete.
»Danke für den Stuhl, aber ich zeichne immer im Stehen.«
Gabi stellte den Stuhl wieder beiseite.
Was mache ich hier nur?, fragte sich Richard. Gabi hatte ihn den KO versetzt. Jetzt kam er endgültig nicht mehr aus der Sache heraus.
»Ich würde sagen, du ziehst dich jetzt aus«, sagte sie.
»Ausziehen?«
»Ja. Wie denkst Du, soll man sonst eine Aktzeichnung machen?«
»Vielleicht hätte es da auch eine andere Möglichkeit gegeben.«
»Zier dich nicht so, Richard. Du bist ein begehrtes Objekt.«
»Wie meinst du das?«
»Zwei Mädels aus meinem Kurs habe ich erzählt, dass ich dich, einen attraktiven Mann, heute Abend nackt zeichnen werde. Die waren ganz aus dem Häuschen. Sie haben sich schon angemeldet. Auch sie wollen dich nackt zeichnen.«
»Aber, da hättest du mich doch vorher fragen müssen«, erboste er sich. Aber nur ganz zart. Der attraktive Mann ließ nicht mehr Erbostheit zu.
»Ich dachte, du freust dich, wenn Frauen dich begehrenswert finden.«
»Ja, klar, das ist schon schön …«
»Na dann, passt es ja. Ich werd da aber dabei sein, nicht dass denen noch einfällt, dich anzumachen. Das gebührt nur mir«, sagte sie mit der ausgefeilten Technik einer Schlafzimmerstimme.
Wie weit war Gabi schon mit ihm? Hatte er da was verpasst? Sein Urin hatte nicht gelogen. Alles lief auf das eine hinaus.
»Vergiss das Ausziehen nicht.«
»Ja, ich fang schon an.«
Und so tat Richard das, was er auf alle Fällen verhindern wollte. Sich ausziehen zu müssen und von Gabi nackt zeichnen zu lassen.
Hemd, Jeans und Socken hatte er bereits ausgezogen und auf dem Küchenstuhl abgelegt. Nun trug er nur noch seine weißen Boxershorts und das Shirt.
»Sehr schön. Was ich da sehe, gefällt mir sehr gut.«
Richard stand verkniffen vor ihr.
»Nicht aufhören, Richard, mach schön weiter«, sagte sie.
»Muss ich da vor dir stehen oder kann ich mich dazu auch aufs Sofa setzen?«
»Stehen wäre mir lieber, aber wenn du willst, kannst du dich auch hinsetzen.«
»Dann lieber hinsetzen«, sagte er und atmete einmal kräftig durch.
Richard setze sich aufs Sofa und zog sein Shirt aus. Er sah an sich hinab und musste seinen aus der Form gegangenen Bauch ansehen. Noch erträglich, aber lange kein Adonis. Er kniete sich hin, drehte Gabi eine Seite zu und zog dann ein Bein etwas nach oben.
»Deine Unterhose auch.«
Das ist keine normale Unterhose, das ist eine Schiesser-Boxershorts, dachte er. Unverschämtheit.
»Wirklich?«
»Na klar. Es heißt ja Aktzeichnen und nicht In-Unterhosen-Zeichnen.«
Er sträubte sich nicht mehr. Es hatte eh keinen Sinn. Gegen Gabi kam er nicht an, obwohl er tapfer gekämpft
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