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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Fuchs
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Kochbeutel. Das altbewährte Produkt. Dann schob er seinen Wagen in die nächste Regalschlucht, die Milch, Mehl, Pudding in formschönen Plastikbechern, der nicht gekühlt gelagert werden musste, beherbergte.
    Da stellte sich Richard die Fragen wegen der Haargummis. Eine Frage, die er sich sehr oft stellte. Die Haargummis, mit denen Frauen ihre langen Haare zusammenhielten.
    Haargummis gab es in allen erdenklichen Farben. Somit stellte es eigentlich kein Problem dar, den farblichen passenden Haargummi zum Outfit der jeweiligen Frau zu finden. Es sollte eigentlich kein Problem sein, war es aber sehr wohl. Ein aktuelles Beispiel stand vor dem Regal mit der H-Milch. Eine eher kleine, attraktive Frau mit schwarzen Haaren, die ihr sicher bis zu den Schulterblättern reichen würden, hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug einen engen sandfarbenen Pullover und einen schwarzen, knielangen Rock, dazu passende, hohe Schuhe. Eine Frau mit Stil, auf den ersten Blick. Der zweite offenbarte jedoch das alltägliche Grauen, das einem in Supermärkten, Kinos, Tankstellen, beim Friseur, auf der Straße – einfach überall – begegnet. Die schwarzen Haare der H-Milch-Frau wurden von einem leuchtend grünen Haargummi zusammengehalten. Es gab abertausende Varianten von Haargummis in den Farben Sand und Schwarz, die auf dem freien Markt erhältlich waren. Man musste dafür kein Gesetz brechen, um einen in dieser Farbe zu bekommen. Die H-Milch-Frau war das perfekte Beispiel einer Frau, die perfekt wirken wollte, aber eben nicht perfekt war. Schuld war der Haargummi. Über den farblich passenden Haargummi sollte mal eine Doktorarbeit geschrieben werden. Man könnte hier ganz tief in die Psyche der Frauen eintauchen. Ein Thema, das Richard weiter täglich beschäftigen würde.
    Seinen nächsten Stopp legte Richard beim Kühlregal ein.
    Rechts neben ihm stand ein schönes und modern gekleidetes Pärchen. Sie – schlank, groß, blond, lange Fingernägel; Er – groß, sportlich, kurzes dunkelblondes Haar. Die beiden berieten gerade ausführlich, welche Diätwurst man nun für den gemeinsamen Haushalt in den Einkaufswagen legen sollte. Sie prüfte genau die Kalorien- und Fettangaben auf den Verpackungen. Er nickte bei jeder zweiten Packung. Das ist Liebe, schon beim Einkaufen. Sie gibt die Richtung vor, er nickt sie nur ab.
    Links neben Richard stand ein älteres Ehepaar. Vielleicht Anfang Fünfzig. Sie – schlecht gefärbtes Haar, Kassenbrille, füllig, ein Kleid wie ein Vorhang in einem abbruchreifen Haus. Er – fast keine Haare, ein Bauch so groß wie fünf Fußbälle, kurze Beine, schlecht sitzende Textildiscounterjeans. Sie packte fleißig fette Salami und fetten Bauernschinken in den Wagen. Er würde, seinen Blicken nach zu urteilen, wohl gerne etwas anderes wollen, ersparte sich aber eine richtungweisende Diskussion. Denn es gab nur eine Richtung, ihre. Und er brauchte sie nicht mal mehr abzunicken.
    Richard nahm schnell den fettarmen Geflügelschinken für 1,29 Euro, der über kanadischen Buchholz auf texanische Art mit italienischen Gewürzen und unter Aufsicht staatlich geprüfter Lebensmitteltechniker geräuchert wurde, und ließ die Wurst hinter sich.
    Als Nächstes las Richard den irischen Roman auf einer Butterverpackung und träumte von den Kühen, die für diese Butter dort gemolken wurden. Sie, die Kühe, blickten auf den Atlantik, ließen sich eine Brise um die Öhrchen wehen und kauten dabei genüsslich das saftig grüne Gras der Insel. Die Kühe hatten mehr romantische Augenblicke als er. Er war neidisch auf die Kühe in Irland.
    Das Kühlregal fand mit der Butter sein Ende.
    Bei den Backwaren angekommen sah Richard das Endergebnis von Liebe, Lust und Leidenschaft. Eine Frau Ende dreißig mit gelockten Haaren, ohne Ring am Finger, und zwei schreienden Kindern von ungefähr drei Jahren, die im Einkaufswagen standen und darin herrscherisch thronten wie King Kong mit der weißen Frau auf dem Empire State Building.
    Auf dieses Ende der drei L‘s war er jetzt noch nicht scharf. Besonders nicht mit Gabi. Da würde er in fünf Jahren alleine den Einkaufswagen durch den Supermarkt schieben, mit zwei Kindern, dessen Sorgerecht ihm Gabi liebend gerne überlassen hätte. Und er hätte auch keinen Ring mehr am Finger.
     

Höchstleistung
     
    Mai, vor vier Jahren
     
    Die Halle stank furchtbar nach Schweiß. Richard wurde schon schlecht von diesem miefen Geruch. Die Lüftung in der Halle würde wohl nicht mal

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