Pechvogel
Beziehung, obwohl sie noch nicht mal … ja was, mehr gemacht hatten. Aber er hatte es im Urin, es lief alles auf eine Beziehung hinaus. Und er konnte nichts dagegen machen. Nein zu sagen wäre doch ganz einfach. Nein, eben nicht. Gabi hatte ihn irgendwie in die Ich-will-dich-Ringecke geboxt und deckte ihn dauerhaft mit verbalen Du-kommst-mir-nicht-mehr-davon-Schlägen ein.
Richard hatte feinsten Zwirn aus seinem Schrank gewählt. Eine gut sitzende Levis-Jeans in dunkelblau-mit-Steinen-von-Sträflingen-in-einem-Steinbruch-geschlagenen-washed-Look und einem schwarzen Hemd mit dezenten weißen Zebrastreifen. Außer das die Hose am Bauch etwas spannte, sah er ganz passabel aus.
Richard hatte sich auch überlegt, Gabi total abgefuckt gegenüberzutreten, um sie sofort aus seiner heiligen Wohnung zu vertreiben, aber er konnte es einfach nicht. Außer dass Gabi die angesprochene Naturkatastrophe war, hatte sie ihm noch nichts weiter getan.
Da wäre doch etwas, dachte er. Sie wollte ihn heute Abend nackt zeichnen.
Er könnte ihr ja sagen, dass er am Körper ganz üblen Ausschlag hatte und ihn anzusehen sie in die Zeiten der Pest zurückversetzen würde. Das würde sie ihm aber wahrscheinlich nicht glauben.
Vielleicht sollte er sagen, dass er so aussah wie Sylvester Stallone in Rambo 1. Er war in einem Gefangenlager in Vietnam übel misshandelt worden. Was machte er in Vietnam? Da kann man doch nur Urlaub machen, würde Gabi erwidern und ihm mit einem Lachen auf die Schulter klopfen. Er kam da nicht mehr raus.
Scheiß Fasching.
Richard hatte Spaghetti und zwei verschiedene Soßen eingekauft, damit Gabi wählen konnte. Dazu einen Feldsalat und als Nachtisch ein paar Orangen. Würde das als Dinner durchgehen?
So richtig groß gekocht hatte Richard für eine Frau noch nicht. Bei seinen Beziehungen zuvor war das nie so ein großes Thema gewesen. Entweder gingen sie zum Italiener, Chinesen oder zu McDonalds.
Kamen sie überhaupt zum Essen?
Er müsse alles daransetzen, dachte er, denn mit vollem Magen könne sie ihn nicht malen. Er würde dann extra die doppelte Portion Spaghetti essen, damit er einen schönen Kugelbauch bekäme und Gabi die Lust an kunstvoller Nacktheit verginge.
Es klingelte. Er sah auf seine Wanduhr in der Küche. 19 Uhr 30. Gabi war auf die Minute pünktlich.
Er schritt auf seine Wohnungstür zu wie auf einen Beichtstuhl. Beim Öffnen würde ihm das körperliche Gelübde abgenommen werden. Er tat es. Er öffnete die Tür.
»Hallo, Gabi«, sagte er mit einem Strahlen.
»Richard, es ist so schön, dich zu sehen«, sagte sie mit einem herzlichen Tonfall und gab ihm gleich darauf ein Küsschen links, ein Küsschen rechts.
Gabi hatte sich nicht in Schale geworfen. Sie trug eine zu enge hellblaue Jeans, eine weiße Bluse mit ein paar aufgedruckten Blümchen und braune Ledergesundheitsmokassins.
Richard dachte, dass er diese Bluse neulich bei kik für 4,99 € gesehen habe. Er konnte sich natürlich auch täuschen.
Ihre vielen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden.
Gabi meinte es bitterernst. Sie hatte eine Staffelei dabei, einen großen Zeichenblock und einen kleinen Koffer. Darin waren wohl die Folterwerkzeuge.
»Schön, was du da alles mitgebracht hast«, sagte Richard gedehnt.
»Ich halte mein Wort«, sagte Gabi. »Heute Abend wirst du ein Kunstwerk, auch wenn du für mich schon so eines bist.«
Was hatte er da hören müssen? Er war für sie ein Kunstwerk.
Richard begann zu schwitzen. Einerseits über die Nettigkeit dieser Worte. So etwas hatte noch nie eine Frau zu ihm gesagt, anderseits über die Wichtigkeit für die folgenden Stunden. Dieser Abend würde für ihn nackt enden. Das Drama spitzte sich zu.
»Das ist lieb von dir«, sagte er und drückte sie kurz an sich.
Gabis kleine fiese Augen funkelten wunderschön bergseegrün.
Gabi zog ihre Mokassins aus (sie trug weiße Socken). Richard ging vor in das Wohnzimmer mit seinem Müllsofa. Davor stand ein Couchtisch aus Glas, gegenüber ein paar Solitärmöbel, auf denen sein geliebtes Notebook, zahlreiche DVDs, der Fernseher, der DVD-Player und seine Mini-Stereoanlage standen.
»Du bist gemütlich eingerichtet«, sagte Gabi.
»Na ja, das Sofa ist kein Chartstürmer. Aber ich habe schon lange ein neues bestellt, aber das Möbelhaus hat leider so lange Lieferzeiten«, sagte Richard geknickt.
»Meine Eltern haben letztes Jahr eine Schrankwand gekauft und diese erst nach vier Monaten geliefert bekommen. Ich weiß, wie das ist.«
Richard
Weitere Kostenlose Bücher