Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
von Hammelfett. Diesmal wirklich
qualcosa di semplice
. Der Tag neigt sich dem Ende. Im letzten Licht des Abends muss allerdings noch das Highlight der Albergo besichtigt werden. Giovanni schleppt uns durch einen völlig leeren, für den Gasthof viel zu groß geratenen Speisesaal. Durch eine Glastür betritt man das Allerheiligste: Bonsai-Bäumchen in allen Größen und in einer Artenvielfalt, die wirklich beeindruckend ist. Giovanni offenbart uns seine seit Jahrzehnten größte Passion, das Züchten von Minibäumchen. Man kommt sich richtig groß vor als Hund in diesem Wald von Zwergbäumen.
Zeit zum Ausruhen. In der Ferne, auf einer der höchsten Erhebungen, strahlt ein hell erleuchtetes Gipfelkreuz. Jede Nacht, das ganze Jahr über, wie uns gesagt wird. Wir nehmen es mit in den wohlverdienten Schlaf.
Vierte Etappe:
Corniolo bis Badia Prataglia 32 km
Das Kreuz am Gipfel gegenüber leuchtet nicht mehr schemenhaft und gespenstisch, es strahlt jetzt glasklar und konkret im grellen Sonnenschein. Den Frühstückstisch teilen wir mit vier Schweizern, die mit ihren Motorrädern den Apennin durchqueren und auch bei Gigino übernachtet haben. Ich werde verwöhnt. Streicheleinheiten und Honigbrote von allen Seiten – das gefällt am frühen Morgen. Wirt Giovanni dürfte wohl über Nacht unzählige Kopien der fünfseitigen
Gente
-Story im Ort verteilt haben, denn einige Gaffer haben sich bereits eingefunden und starren den
cane sconosciuto
an. Der Botaniker Giovanni möchte uns am liebsten einen kleinen Bonsai mit auf den Weg geben. Wäre schade darum. Stattdessen steckt er uns und den Bikern ein Fläschchen bayerisches Weißbier zu. Für meine Begleiter eher Ballast, für die Biker Versuchung. Schnell wird noch ein Foto mit den Eidgenossen vor den monströsen Motorrädern geschossen. Drei von ihnen schwören übrigens seit Jahren auf oberösterreichische Qualität und pilotieren stolz eine KTM 990 Adventurer über die steilen Apenninpässe, während – wie könnte es auch anders sein – der italienischstämmige Marco nationalbewusst einer 1200er Ducati den Vorzug gibt. Noch ein Foto mit mir. Vor – nicht auf – der Maschine, und schon röhren die Motoren auf.
Grüazi
und
arrivederci
!
Auch wir machen uns auf den Weg. 7.30 Uhr ist eine ideale Zeit. Der Straße entlang. Kurvig ist sie. Enge Serpentinen, wie schon die Schweizer beim Frühstück angemerkt hatten. So kurvig waren sie noch kaum unterwegs auf ihren Touren im heimischen Alpenraum. Es geht ziemlich bergauf. Rechts das letzte Haus, eher eine kleine, verfallene Hütte am Straßenrand, und wir tauchen wieder ein ins satte Grün der bewaldeten Hügel.
Der Weg ist erträglich, die Steigung stetig. Nach guten Betten und einer erholsamen Nachtruhe sind wir bester Dinge. Vielleicht drei Stunden sind wir unterwegs, als wir den heutigen Höhepunkt erreichen, nicht an Höhenmetern, sondern aus ideellen Gründen: Passo della Calla. Hier ist ein Monument aus Felsgestein aufgebaut. Eine Gedenkstätte für Feuerwehrleute, die bei zahlreichen Waldbränden in dieser Gegend im Laufe der Jahre ihr Leben riskiert und auch verloren haben. Ein ideales Motiv für ein Fotoshooting. Drei bis vier Meter dürften sich diese bizarren, von Menschenhand aufgetürmten Granitblöcke schon in die Höhe recken. Ich soll ganz oben – gleichsam auf dem Gipfel der Skulptur – das wunderbare Panorama genießen und diesen Ausblick ebenso eindrucksvoll vermitteln. Für mein Herrchen kein leichtes Unterfangen, mich da hinaufzuhieven. Auch nicht ganz ungefährlich, ich bin doch keine Bergziege! Aber der Weitblick entschädigt für das eingegangene Risiko. Die Kamera klickt und klickt, und ich genieße einen doppelten Ausblick: einerseits in die Emilia Romagna, der wir nun Adieu sagen müssen, andererseits in die Toskana, die wir auf unserem Pilgerpfad für ein paar Tage durchqueren werden. Noch ein Foto vor jenem Schild, welches das Ende der Commune Forli und den Beginn der Commune Arezzo markiert. Meine Vorderpfoten haben somit gerade die Grenze der Region Romagna zur Toskana überschritten.
Von wegen sanfte Hügellandschaft der Toskana. Von den 1296 Höhenmetern des Calla-Passes geht es nun noch weiter hinauf. Nächstes Ziel und nächste Rast: Passo Pocareccio auf über 1500 Metern Meereshöhe. Und es wird noch höher gehen, bis zum Poggio Scali. Von hier kann man an schönen Tagen die Weite der Emilia Romagna am besten begreifen; der Blick reicht bis zum Meer nach Rimini. Beeindruckend. Wohl
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