Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Situation. Auch ein Hund kann eben manchmal zum Angsthasen mutieren.
Standhaft bleiben! Beim Fotoshooting im Augustiner Bräu in München
Es geht wieder bergab, ziemlich. Herrchen versucht mich zu schonen, denn allmählich kann auch ich nachvollziehen, was ein Muskelkater ist und wie er sich anfühlt. Katzen und Kater gehörten noch nie zu meinen besten Freunden. Meine rechte Hinterpfote beginnt mehr und mehr zu schmerzen. Herrchen merkt das natürlich und legt den Schongang ein. Premilcuore: zwei Kilometer. Allgemeines Aufatmen. Es war ein reichlich anstrengender Tag. Der Ort liegt etwas trist in einer Talsenke. Ein dunkler Ort zwischen den steilbewaldeten Hügeln. Ein alter Industrieort. Auf der asphaltierten Hauptstraße geht’s ins Zentrum der lang gezogenen Ortschaft. Agroippoturismo Ridolla, unsere Herberge für diese eine Nacht, will nun gefunden werden. Kein leichtes Unterfangen. Zwei Passanten beschreiben den Weg. Etwas unterschiedlich, wie sich herausstellen sollte. Aus den angekündigten 800 Metern werden schließlich ganze drei Kilometer. Bergauf, außerhalb des Ortskerns liegt unsere Schlafstätte. Wir sind die einzigen Gäste. Unterkunft gewährt man uns in einem alten, zum „Ferienapartment“ umgebauten Wohnmobil. Starr fixiert auf einem kleinen Hügel neben dem steinernen Rezeptionsgebäude, in dem auch ein kleines Restaurant untergebracht ist. Ein altes, mobiles Wohnheim, wie man es aus amerikanischen Filmen kennt. Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Zu erschöpft sind meine Mitpilger nach den heutigen Strapazen, um ein neues Quartier zu suchen. Also beschließt man widerwillig, aber todmüde, nach einem eher spärlichen Abendmahl zu Bett zu gehen. Die Nacht ist kalt, und das Wasser in der engen Duschkabine könnte auch wärmer sein. Kurzum, das Leben als Luxuspilger dürfte vorerst vorbei sein. Man muss auch verzichten können. Vielleicht die erste große gottgewollte Prüfung auf unserem Pilgerweg.
Noch ein kurzer Blick aus den reichlich verschmutzten Trailerfenstern, und das Licht geht für uns aus in Premilcuore. Diesmal ist nicht Erholungs-, sondern schon eher Fluchtschlaf angesagt. Buona notte!
Dritte Etappe:
Premilcuore bis Corniolo 20 km
Der neue Tag beginnt, wie der alte geendet hat: reichlich kühl. Im Schatten der hohen Bäume am Waldesrand liegt glitzernde Feuchtigkeit auf der wildverwachsenen Wiese vor dem Übernachtungstrailer. Die Sonne startet um halb sieben ihre ersten Versuche, das enge Tal des Rabbi-Flusses zu erhellen. Erster Gedanke: Frühstück und nichts wie weg. Etwas verwunschen kommt uns dieses Fleckchen Erde vor. Passend, genau im richtigen Moment, kommt ein eigenartiges Fabelwesen direkt auf uns zu. „Sie tut nichts. Sie ist an Hunde gewöhnt“, tönt es vom nahen Ristorante. Als ob ich oder einer meiner Begleiter irgendwelche Bedenken hätten. Ein etwas suspektes Wesen, von der Statur kaum größer als ich, mit langem, weißem Fell schnaubt um die Ecke. Im Gegenlicht der nun grell einfallenden Sonnenstrahlen wird es von meinen Begleitern als „mystisches, letztes Einhorn“ identifiziert. Bei genauerem Hinblicken entpuppt es sich als ganz normales, zotteliges Shetlandpony. Nur weiß eben, rein weiß. Es ignoriert uns und schlendert äsend in Richtung Wald. Irgendwie der morbiden Situation und dem darauf folgenden Frühstück angepasst. Ich bekomme ein Stückchen Weißbrot. Nicht wesentlich üppiger ist der morgendliche Gabentisch für meine Kumpane gedeckt. Es gab schon reichlichere Buffets am Wegesrand. Nichts wie weg.
20 Kilometer haben wir uns für den heutigen Tag vorgenommen; besser gesagt: sind uns vorgegeben. Doch am dritten Tag fällt die Aufwärmphase etwas schwerer. Die Bundesstraße 317 wird als wunderschöne Bergstraße angepriesen. Gut asphaltiert, aber sehr eng, wenn man zu dritt einige Kilometer auf der Bankette entlangwandern muss. Ab und zu ein Auto, Einheimische, die ins Nachbartal zur Arbeit fahren. Jetzt im Mai wirkt das Rabbi-Tal verschlafen. Im August, dem gefürchteten
Ferragosto
, wird es wimmeln von Süditalienern, Römern und auch stadtgestressten Mailändern. In Wohnwagenkolonnen kommen sie angefahren. Davon bekommen wir – Gott sei Dank – jetzt noch nichts mit. Unbeschadet und ohne Abgasvergiftung können wir so nach ein paar Kilometern in den Schatten spendenden Wald einbiegen. Der Boden ist von Moos bedeckt und feucht, obwohl es nicht geregnet hat. Ein Wetterbericht und Prognosen blieben uns für heute erspart in
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