Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
will, als Österreichs berühmtester Hund vorgestellt. Natürlich will man diesen Zufall auf einem Foto festhalten – also Pose. Mein Fotograf knipst die Fotografierenden, sie knipsen mich, die restlichen Gäste staunen über das plötzliche Blitzlichtgewitter, und Moreno hat nun die finale Bestätigung, dass ich ein echter Promi bin.
Der Smalltalk geht weiter, noch eine Flasche Wein wird geköpft. Ich darf nun zufrieden unter dem Tisch schlafen. Es ist weit nach 23 Uhr. Man verabschiedet sich mit dem Pilgergruß „pax et bonum“ und der sehnsuchtsvollen Erwartung auf diese Geschichte, von der man ja jetzt ein Teil ist. Moreno begibt sich in seine Luxussuite einen Stock höher. Er will am nächsten Tag nämlich schon vor sechs Uhr starten. Wir pilgern zurück in unsere Herberge mit dem verheißungsvollen Namen. Die 32 Etappenkilometer und der Rotwein machen sich bei meinen Wandergenossen bemerkbar. Trotzdem, morgen steht eines der Highlights dieses Weges auf dem Programm: das Felsenkloster La Verna.
Fünfte Etappe:
Badia Prataglia bis Chiusi della Verna 21 km
Es ist spät am Morgen. Wir sind müde, sehr müde. Meine linke Hinterpfote hat sich leicht wund gelaufen, trotz der dicken Hirschtalgschicht, die mir über Nacht verpasst wurde. 32 Kilometer en suite waren wohl doch etwas zu gut gemeint. Kein Trost, aber es geht nicht nur mir so. Die gestrige halbe Tagesetappe, die wir als Vorsprung erlaufen haben, wird uns nun zum Verhängnis. Ausgerechnet heute auf dieser wichtigen Etappe nach La Verna. Elf Kilometer bis zur zweiten Hälfte der fünften Etappe, Biforco, hätten wir vor uns. Dann weitere acht Kilometer bis zum Felsenkloster La Verna. Wir sollten ausgeruht sein und ich frisch für das Shooting im Kloster. Unter diesen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit, reines Wunschdenken. Da ändert auch das prachtvolle Wetter nichts dran. Plan B muss her.
Das karge Frühstück hat wohl nicht genügend Inspiration gebracht. Eine Bar am Weg ins Zentrum der Ortschaft scheint da schon idealer zur Lösungsfindung. Bei Espresso,
spremuta d‘arancia
und einem
cornetto
besinnt sich meine Herrschaft plötzlich auf den guten alten Hape. Nicht nur sein millionenfach verkauftes Jakobsweg-Buch ist in gewisser Weise Vorbild für uns, nein, auch sein lockeres Verhältnis zur Pilgerei. Mag vielleicht Zufall sein, aber genau um den fünften Tag hat auch der erschöpfte Hans Peter Kerkeling den ordinären Autobus seinen Wanderschuhen vorgezogen. Allerdings hat der Komiker gleich drei Tagesetappen auf einen Streich übersprungen. Die Bushaltestelle in Badia liegt zufällig direkt im Blickfeld unserer Bar. Die Qual des Abwägens beginnt: Müssen wir nun ein schlechtes Gewissen haben? Verstoßen wir gegen jegliche Pilgerethik? Wird es uns der liebe Gott verzeihen? Gepilgert ist der Franziskusweg, wenn am Ende des Tages der Stempel in den Pilgerpass geknallt wird. Es ist einzig und allein das Gewissen, das einen in die Pflicht nimmt. Während ich hier noch sinniere und meine wunde Pfote lecke, hat Toni längst die Abfahrtszeiten nach La Verna recherchiert. So gegen 11 Uhr geht der nächste Bus. Eine gute halbe Stunde würde die Fahrt zum Felsenkloster dauern. Ganz konkrete Angaben kann und darf man nicht erwarten, wir befinden uns schließlich in Italien. Kein Gedanke mehr an unseren Verrat, es bleibt uns noch eine halbe Stunde bis zur Abreise. Die will genützt sein. Noch ein Schluck Wasser und los geht’s mit ein paar Erinnerungsfotos. Auf einer brüchigen Mauer, vor einer Verkehrstafel, wartend an der Busstation.
Fast „auf die Minute“ – um 11.20 Uhr – ist er da, der große, blaue Autobus. Zwei Erwachsene, ein Hund. 1,20 Euro kostet die
corsa semplice
für die 18 Kilometer. Pro Person, der Hund darf gratis mitfahren. Da könnten sich unsere Verkehrsbetriebe etwas abschauen. So behandelt man des Menschen besten Freund!
Platz ist genug im 30-sitzigen, blauen Monstrum. Wir sind die einzigen Fahrgäste. Ich verziehe mich gleich mal in der zweiten Reihe unter die Sitzbank und möchte schlafen. Mein Herrchen quält aber gerade in diesem Moment ein mehrfaches Déjà-vu-Erlebnis aus meiner Jugend. „Pecorino,
siedeti
!“ Platz! Nicht liegen und schon gar nicht schlafen. Der Grund: Als Welpe und auch als Junghund habe ich auf so mancher Fahrt mit dem Bus denselbigen vollgekotzt. Dabei bin ich diesmal nur müde.
Der Buschauffeur ist gebürtiger Neapolitaner und sehr gesprächig. Besser ein eintöniger Job im Norden als gar
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