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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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ewiger wirken. All das regte mich an, ließ mich einigermaßen klar denken. Ich fragte mich, warum mein Leben so verlaufen musste, wie es verlief, und versuchte, das ein oder andere zu verstehen. Ich stehe gern ein bisschen neben mir und betrachte Pedro Juan aus ein paar Schritten Entfernung.
    Diese Abende mit Rum und goldenem Licht und knallharten oder melancholischen Gedichten und Briefen an die weit entfernten Freunde halfen mir dabei, Selbstsicherheit zu gewinnen. Wenn du eigene Ideen hast - und seien es nur ein paar -, musst du damit leben, dass du ständig Leuten begegnest, die die Nase rümpfen, dir Steine in den Weg legen wollen, dich kleinmachen, dir »klarmachen« wollen, dass du nichts zu melden hast oder den und den meiden solltest, weil er 'ne Schraube locker hat, schwul ist, ein Kriecher oder Asozialer, den und den, weil er ein Perverser oder Spanner ist, ein Gauner, Scheinheiliger, Spiritist oder Junkie, die und die, weil sie Abschaum, schamlos, Nutte, Lesbe, schlechter Umgang ist. Solche Leute beschränken die Welt auf wenige Hybride: auf farblose, langweilige, »vollkommene« Typen. Auf die Tour versuchen sie, aus dir einen Snob zu machen und einen Scheißkerl. Sie stoßen dich kopfüber in ihre Geheimsekte, die alle anderen unterdrückt und ignoriert, und machen dir weis: »So ist das Leben, mein Lieber, ein Prozess aus Selektion und Ablehnung. Wir kennen die Wahrheit. Alle anderen können sehen, wo sie bleiben.« Und wenn sie dir das fünfunddreißig Jahre lang in den Schädel gekloppt haben, hältst du dich später, wenn du ganz allein bist, für was Besseres, dabei bist du nur viel ärmer geworden, weil du etwas Wunderschönes im Leben verlernt hast, nämlich dich an seiner Vielfalt zu erfreuen und zu bejahen, dass wir nicht alle gleich sind, denn andernfalls wäre alles ziemlich öde.
    Na, jedenfalls war im Radio wieder der Typ mit der heiseren Säuferstimme zu hören, er schäkerte ein bisschen herum, legte ein Salsaorchester aus Puerto Rico auf, und ich tanzte vor mich hin, bis ich mich plötzlich fragte: »Warum, verdämmt noch mal, tanze ich hier so allein vor mich hin?« Daraufhin stellte ich das Radio aus und ging runter auf die Straße. »Ich fahre nach Mantilla«, kam mir in den Sinn. Es dauerte, bis ich eine Verbindung von zwei Bussen gefunden hatte und in Mantilla ankam. Mantilla liegt etwas außerhalb und gefällt mir gut, weil dort die rote Erde, die grünen Wiesen und weidende Kühe zu sehen sind. Ich habe in dem Viertel ein paar Freunde, weil ich lange da gelebt habe. Ich besuchte Joséito, einen Taxifahrer, der in der Krise arbeitslos wurde und seinen Lebensunterhalt mit Zocken bestritt. Zwei Jahre lang lebte er schon vom Glücksspiel. Es gab in Mantilla viele kleine verbotene Zocker-kneipen. Manchmal machte die Polizei eine Razzia in zwei oder drei von ihnen, nahm die Leute für ein paar Tage fest und setzte sie dann wieder auf freien Fuß. Ich hatte dreihundert Pesos in der Tasche, und Joséito überredete mich, zu spielen. Er hatte zehntausend bei sich. Er ging immer aufs Ganze. Wir gingen in eine Zockerkneipe, die ihm Glück brachte. Auch diesmal. Ich verlor mein ganzes Geld in fünfzehn Minuten. Keine Ahnung, warum zum Teufel ich mich von Joséito hatte mitschleppen lassen. Nie gewinne ich auch nur einen Penny beim Spiel, er dagegen gewann gleich von Anfang an. Als ich ging, hatte er schon etwa fünftausend Pesos eingesackt. Der Kerl hatte echten Dusel! Mit soviel Glück könnte ich ein ganz gutes Leben führen. Na, jedenfalls lebt er in Mantilla auch ganz gut und sagt immer: »Mensch, Pedro Juan, wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mein Scheißtaxi schon viel eher zur Hölle geschickt.«
    Ich war echt sauer wegen des verlorenen Geldes. Ich verliere nicht gern. Ich ärgere mich jedes Mal, und es kotzt mich an, dass Joséito das Geld in den Schoß fällt und ich, sobald ich ein Blatt auf der Hand habe oder den Würfelbecher anfasse, schon verliere. Dabei bringe ich allen anderen Glück. Immer wieder. Einmal hatte ich ein altes, verbeultes Auto gekauft, das ich eine Woche lang vor dem Haus parkte, ohne es zu fahren, weil zwei, drei Sachen nicht funktionierten und eine
    Reparatur mir zu teuer war. Na, jedenfalls kam ein paar Tage darauf ein alter Spanier auf mich zu und erzählte mir, die gesamte Nachbarschaft würde mit den Zahlen auf dem Nummernschild Lotto spielen - 03657. Lachend teilte mir der Alte mit:
    »Bald müssen wir dir wohl eine Kommission zahlen, Pedro

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