Pedro Juan Gutiérrez
einer Schublade ein Fotoalbum zieht und es mir reicht.
»Sieh dir das an, Pedro Juan.«
Seine Zunge war schon schwer von all dem Marihuana und Schnaps. Er ließ sich wieder in den Sessel fallen, kaputt und fertig mit der Welt. Ich musste schnellstens hier raus. Es stank zu sehr nach Verzweiflung und Scheiße. So was ist ansteckend. Es ist wie wenn du Giftgas einatmest, es setzt sich dir ins Blut und erstickt dich. Ich konnte mit Rene nicht weiterreden, brauchte einen härteren Kumpel, einen, der mich aus meinem Loch und all den Erinnerungen an vergangene glückliche Zeiten herausholte. Ich musste unbedingt hart werden wie Stein.
Ich schlug das Album auf. Es war eine Sammlung von Nacktfotos. Mindestens dreihundert. In allen Stellungen. Schwarze, Mulattinnen, Weiße, Dunkle, Blonde. Fröhliche, Ernste. Auf einigen standen die Frauen paarweise zusammen, küssten sich, umarmten sich oder streichelten einander die Brüste. »Und was ist das, Rene?«
»Huren, Mann. Ein Katalog voller Huren. Viele Taxifahrer haben diese Fotos dabei für die Touristen. Sie machen Werbung für das Produkt, der Tourist wählt aus und lässt sich dann zur richtigen Adresse fahren.«
»Dann fotografierst du also Stars? Rene, der Starfotograf!« »Rene, der Nuttenfotograf! Ich bin fertig, Mann. Ich bin ein Scheißdreck.«
»Red keinen Mist, Rene. Du verdienst doch ganz gut damit...«
»Ich bin Künstler, Mann! Das hier ist Scheiße, mein Freund.«
»Hör mal, du machst mich fertig. Sei keine Memme. Profitier von diesen Nutten. Ich an deiner Stelle würde die Fotos für diesen Scheißkatalog richtig realistisch machen, kraftvoll, die Nutten in ihren Schlafzimmern, in ihren Betten, in ihrer Umgebung, schwarzweiß, und in ein paar Jahren würde ich eine Wahnsinns-Ausstellung machen: ›Die Nutten von Ha-vanna‹. Und dann ziehst du eine Schau ab, die nicht mal Se-bastiao Salgado zustande kriegen würde.« »Hier, in diesem Land? ›Die Nutten von Havanna‹?« »Hier oder sonstwo. Fang erst mal an zu arbeiten. Dann suchst du dir einen Ort, wo du ausstellen kannst. Wenn du hier sowieso fertig bist, geh weg, irgendwohin. Aber reiß dich zusammen und verkriech dich nicht in diesem verdammten Zimmer, Mann.«
»Na ja... keine schlechte Idee.«
»Natürlich nicht. Mach dich ran, und du wirst sehen, du kommst wieder auf die Beine. Sag mal, hatte dein Sohn Partner in Havanna?«
»Warum?«
»Ich will ein bisschen Gras holen. Ich bin völlig abgebrannt, Rene, ich muss ein bisschen Kohle machen.«
»Wenn du hinfährst, such Ramoncito El Loco. Er wohnt auf dem Weg nach Baracoa, in der Nähe von La Farola. Er ist dort bekannt wie ein bunter Hund. Sag ihm, du bist mein Partner und sollst mir was holen. Dann kriegst du's billiger. Lass dich aber nicht zu oft mit ihm sehen. Jeder weiß, dass er seit Ewigkeiten mit Pot dealt, und dich können sie auch drankriegen.«
»Alles klar, alter Junge. Pass auf dich auf. Bis später dann.« Ich musste schnellstens nach Baracoa. Wenn ich meine Geschäfte erledigt hatte, fand ich vielleicht eine dieser Indianerinnen, die einem das Gefühl geben, man sei der tollste Kerl der Welt. Diese Indios da haben sich fast gar nicht mit Weißen oder Schwarzen gemischt. Die kleine Reise wäre die Mühe wert. Die Leute sind anders da.
Zwei Schwestern und ich dazwischen
Ihr Haus hatte sich mit Scheiße gefüllt. Zwar wohnten sie hier erst seit ein paar Jahren, aber es stank schon nach der Scheiße von den Hühnern und Schweinen, die sie im Hof hielten. Das Badezimmer war ekelerregend und schien nie gesäubert zu werden. Aber mir war's egal. So sind die Schwarzen eben. Ich kam wegen Hayda, aber nur Caridad war zu Hause. Wir unterhielten uns über alles, was so anlag: Essen, Dollars, Armut, Hunger, Fidel, alle, die abhauten, alle, die blieben, Miami.
Mit Caridad hatte ich vor Jahren mal eine Affäre gehabt. Aber nur kurz. Wir hatten einen ganzen Tag zusammen auf den Bus nach Havanna gewartet. Als er schließlich kam und wir einstiegen, war es schon Nacht und wir veranstalteten eine kleine Orgie an Bord mit reichlich fließendem Sperma. Wir waren sehr jung, und wenn man jung ist, verschwendet man alles, weil man glaubt, es ginge ewig so weiter. Und das ist gut so. Im Alter bleibt dir sowieso nichts übrig, ganz egal, wie sparsam du warst. Als wir in Havanna ankamen, erwartete sie, dass ich sie in ein Stundenhotel mitnahm, damit wir die Sache im Bett noch mal ordentlich machen konnten. Aber nein. Ich bin ein
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