Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
Vom Netzwerk:
war einfach zu viel. Ich suchte Armandito und das alte Ehepaar auf und sprach mit ihnen, es kam aber nichts dabei raus. Sie würden die Tiere nicht von der Dachterrasse entfernen, obwohl sich die Ratten immer mehr ausbreiteten und auch nach uns bissen. Auf meinem Teil der Terrasse konnte ich tun, was ich wollte, hatte aber nicht das Recht, auch nur das Geringste von ihnen zu fordern. Und sie zeigten mir einen ausgeschnittenen Zeitungs-artikel über die Gesetze für Dachwohnungen. Ich versuchte, nicht laut zu werden. Aber es gelang mir nicht. Am Ende schickte ich sie zum Teufel.
    Es war August und viel zu heiß. Ich war den ganzen Streit leid und dachte daran, alle Tiere zu vergiften. Ich holte meine beiden Strychnin-Samen hervor, die ich sorgfältig in Papier verpackt hatte. Ich hatte sie im Botanischen Garten in Cienfuegos unter einem Strychninbaum gefunden. Irgendein unterschwelliger krimineller Instinkt hatte mich veranlasst, sie über Jahre hinweg aufzubewahren. Ich überlegte, wie ich mich nachts an die Käfige heranschleichen und den Viechern das Gift unter etwas Reis gemischt verabreichen konnte. Aber man würde mir auf die Schliche kommen. Es empfahl sich, etwas zu warten und sie nach und nach umzubringen. Doch was wäre, wenn die Alten die toten Hühner aßen und selbst draufgingen? Verdammter Mist, ich war auf dem besten Wege, einen Kurzkrimi zu produzieren. Die Hitze, die Schwüle, die Stech-fliegen und der Gestank nach Scheiße. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich diese Viecher abmurksen konnte. Ich brauchte etwas frische Luft. Ich nahm meine restlichen vier Dollar und begab mich zum San Rafael Boulevard, um sie zu verkaufen. Vielleicht hatte ich Glück und konnte sie einem Bäuerlein für sechzig andrehen. Der Wechselkurs war in kaum mehr als einem Monat von 120 Pesos auf 50 Pesos gefallen. Die Regierung wollte die Krise in den Griff bekommen, indem sie alles an sich riss: Pesos und Dollars. Mir kam es so vor, als seien die Menschen noch ärmer und hungriger als zuvor, während alles Geld wohlverstaut in den Truhen des Königs lag. Als ich Galiano Richtung San Rafael hinunterging, schoss ein hellhäutiger Mulatte wie ein Pfeil an mir vorbei. Ihm hinterher ein Bauer mit einem Messer in der Hand. »Haltet ihn! Haltet ihn!«
    Ich halte niemanden. Der Bauer rannte an mir vorbei. Wahrscheinlich waren ihm ein paar falsche Scheine verkauft worden, und als er es bemerkte, war der Typ schon über alle Berge.
    Später erfuhr ich, dass der Bauer ihn geschnappt und in die Schulter gestochen hatte, und ein Polizist hatte ihm noch ein paar Schläge dazu versetzt. Der Trick ist gut, aber er ist schon zu bekannt, und man kommt nicht mehr so leicht damit durch: Man überklebt die Einser in den vier Ecken einer Ein-Dollar-Note mit den von einer anderen Geldnote fotokopierten Fünfern oder Zwanzigern. Es klappt, wenn alles schnell gehen muss, in einer dunklen Ecke, und wenn man Washington mit dem Daumen zuhält. Man muss nach jemandem Ausschau halten, der es eilig hat, Geld zu tauschen, und vor allem nichts anderes dabeihaben, um schnellstens verduften zu können.
    Ich kam nach San Rafael und wartete ein paar Stunden, aber es war kein Käufer in Sicht. Es gab jede Menge Leute, die verkauften, aber nur wenige Bauern, die kaufen wollten. Sie sind diejenigen, die Kohle haben. Sie bereichern sich am Elend der Leute. Es ist die neue Zeit. Auf einmal braucht man Geld. Wie immer macht Geld alles platt, was ihm im Wege steht. Fünfunddreißig Jahre lang wurde der neue Mensch aufgebaut. Und das ist jetzt vorbei. Jetzt muss man dieser andere werden, und zwar schnell. Es ist nicht gut, zurückzubleiben.

 
     
Den Glauben wiedererlangt
     
    Bislang hatte ich mich in meinem Leben nie zurückgehalten. Jetzt brauchte ich eine Pause, wollte allein sein an einem ruhigen Ort, um nachzudenken, wohl um einmal in mich hineinzuhorchen und mich zu erinnern, wenn auch alles bleiben würde wie bisher. Ich beneidete Swami Nirmalananda, der mir seine Bücher aus Indien schickte und gar nichts tat, nur dasaß und meditierte und Weihrauch in den Bergen von Karnataka verbrannte, unter Bäumen und wilden Tieren. Aber es ist nicht leicht, »stopp« zu sagen, wenn du jeden Tag unzähligen Versuchungen ausgesetzt bist. Heute kam ein Umschlag aus Paris. Der Maler Nato lud mich für den nächsten Sommer nach Boissise Le Roi zu seinen Happenings »Art and absence of clothes« ein. Der verrückte Kerl hat keinen blassen Schimmer, dass ich nicht einmal das

Weitere Kostenlose Bücher