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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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sein, würde aber auch noch mit vierzig oder fünfzig genauso schön sein. Und du weißt, sie ist da und eines Tages wirst du sie vielleicht lieben können und mit ihr glücklich sein. Solange es andauert.
    Bevor ich nach Hause ging, machte ich einen Abstecher über Manrique und Laguna. Es gab Rum. Ich stellte mich in die Schlange, um mir meine monatliche Flasche zu holen. Ich hatte mein Rationsbüchlein in der Tasche, was jetzt, im Jahr 1995, wirklich ein Witz war. Die Schlange bewegte sich träge, und ich hatte Zeit. Dann ging ich nach Hause. Im ersten Stock verkaufte mir eines der klapperigen alten Weiber eine leere Flasche. Ich ging zurück und stellte mich wieder an, und da war Chachareo und sang und scherzte herum wie immer. Er war ein erbärmlich zerlumpter alter Mann, der es immer irgendwie schaffte, sich etwas Rum zu erschnorren. Nie traf man ihn ohne seine Bierdose voll Rum. Er sang, erzählte Geschichten. Die Leute, die Schlange standen, sahen über ihn hinweg, aber er machte immer weiter mit der Frechheit des Betrunkenen. Er suchte den Augenkontakt, alberte und schäkerte, und wenn man dann seine Flasche kaufte, bettelte er um ein wenig davon. Immer dasselbe. Ein Zentimeter Rum in der halben Stunde reichte ihm, um seinen Trunkenheitspegel konstant zu halten. Jetzt hatte er einen jungen Burschen im Visier, halb Mulatte, aber mehr noch Ostprovinzler, und als er ihn gerade mit einem Liedchen von Bier und Rum erheitern wollte, regte sich der Junge auf und brüllte ihn an:
    »Hör sofort auf, nicht mit mir. Und komm ja nicht näher, oder ich jage dir zwei Kugeln in den Kopf, du besoffenes Stück Scheiße. Leg dich bloß nicht mit mir an.« Er zog sein Hemd hoch und zeigte seine Pistole. Chachareo fühlte sich herausgefordert.
    »Du bist gar nicht Manns genug, die Pistole zu ziehen!« Einer hinter mir sagte: »Das Bengelchen da ist Polizist und ein tückischer Hurensohn. Das wird schlimm enden, glaub mir.«
    Der Polizist kniff den Mund zusammen und sah mit steinernem Gesicht in die andere Richtung. Chachareo ließ nicht locker:
    »Heute ist dein Todestag! Glaubst du, du kannst einen richtigen Mann erschrecken? Wenn du die Pistole ziehst, bist du tot! Ich bin ein richtiger Mann!« Aus der Schlange heraus riefen zwei Frauen: »Chachareo, sing wieder. Komm her zu uns und sing uns was vor.«
    Der Polizist kniff den Mund zusammen. Seine Augen sprühten Funken, aber er zog die Pistole nicht. Chachareo ging ans Ende der Schlange. Wieder riefen ihn die Frauen zu sich. Aus der Schlange heraus rief jemand mit affektierter Fistelstimme:
    »Ach du mein schöner, strammer Gardeoffizier!« Die Leute lachten, und der Polizist wurde rot wie eine Tomate. Er stand kurz vor dem Überkochen. Hinten erzählte Chachareo etwas über Burschen aus dem Osten, die sich in Havanna immer aufspielen mussten, und stimmte eine Guacharita an, in der sich ständig Marihuana auf Havanna reimte. Na immerhin, es floss kein Tropfen Blut. Jetzt war ich endlich an der Reihe. Man füllte mir aus dem Fass die Flasche, trug sie im Rationsbüchlein ein, und ich zahlte. Dann ging ich direkt hinauf in mein Zimmer auf dem Dach. Niemand war da. Der alte Mann nebenan hatte sich umgebracht. Die alte Frau hatte eine Aversion gegen das Zimmer und die Einsamkeit entwickelt und war zu einer ihrer Töchter gezogen. Auch Luisa war nicht da. Ein schweres Parfüm hing in der Luft. Sie musste sich die halbe Flasche übergekippt haben. Sie liebt diese schwülstigen Düfte. Alles an ihr ist skandalös. Wahrscheinlich stand sie jetzt auf dem Malecón, denn es war schon dunkel. Bestimmt verdiente sie gutes Geld. Freitags und samstags laufen die Geschäfte gut, obwohl es jeden Tag mehr Konkurrenz gibt. Ich schenkte mir ein Glas Rum ein und machte es mir auf dem Dach gemütlich. El Morro war vergoldet und das Meer ruhig. Ein Riesentanker verließ leer den Hafen. Drei Matrosen waren am Bug zugange. Sie nahmen etwas auf. Die Maschinen schnurrten sanft. Das Schiff war so groß und schipperte so dicht vorbei, dass ich fast spüren konnte, wie die Stahlplanken vibrierten. Es war grün und rot und entfernte sich ziemlich rasch, verlor sich im Abendnebel. Ein einsamer Mann ganz in Weiß lehnte auf der Reling des dritten Decks. Er betrachtete die herrliche, von der Abenddämmerung vergoldete Stadt. Ich sah dem grün-roten Schiff nach, wie es sich im Nebel verlor und immer weiter entfernte.

 
     
Stars und Feiglinge
     
    Ich rieche gern den Geruch meiner Achseln, wenn ich

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