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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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abgewandt.«
    »Nein, nein, sagen Sie das nicht. Gott ist stets bei uns.« (Das sagte ich, um sie zu provozieren. Die Alte glaubt nicht mal an ihre eigene Mutter.)
    »Deinen Gott steck dir sonstwohin. Nie habe ich Geld. Wer keine Dollars hat, kann in diesem Land nicht leben. Einen Teufel werd ich tun, an Gott zu denken, verdammt und verflucht! Komm, setz dich einen Moment her, erzähl mir was.« »Nein, Hortensia, ich muss weiter. Diesen Eimer hier will ich verkaufen.«
    »Die reichen Knacker von nebenan kaufen ihn dir ab.«
    »Glauben Sie?«
    »Ja. Die stinken nur so vor Geld. Er arbeitet in einem Devisen-Shop und klaut rechts und links. So ein Dreckskerl! Die Regierung und Fidel beklauen!«
    »Hortensia, hören Sie auf damit! Vergessen Sie mal die Politik und versuchen Sie die Jahre, die Ihnen noch bleiben, so angenehm wie möglich zu leben.«
    »Ach, mein Sohn, ich bin ja fast am Ende angelangt. Und sieh bloß, was aus der Revolution geworden ist.«
    »Ja. Die Chinesen sagen, alles im Leben verläuft im Kreis. Immer kommt man wieder am Anfang an.«
    »Ich verstehe dich nicht, was hast du gesagt?«
    »Nichts. Werden Sie nicht traurig. Rufen Sie die Leute, die mir vielleicht den Eimer abkaufen wollen.« Und tatsächlich. Sie kauften mir den Eimer ab. Und ich ging. Ich war nicht für Hortensias Tiraden aufgelegt. Als ich schon an der Tür war, sagte sie noch:
    »Sie können das Volk nicht einfach so vergessen. Das Gebäude zerfällt und nie gibt es Wasser, Gas oder was zu essen. Nichts, mein Sohn, nichts. Was ist das? Wie lange noch? Der Staat muss sich um uns kümmern. Bist du nicht Journalist? Warum schreibst du nicht mal was über dieses Gebäude? Vielleicht berührt das jemanden. Viele alte Leute leben hier, ganz verlassen, weil...«
    »Hortensia, sehen Sie denn nicht, dass ich Eimer verkaufe? Ich bin nicht einmal mehr Straßenfeger. Demnächst, wenn ich mal Zeit habe, komme ich wieder, dann unterhalten wir uns. Bis bald dann.«
    Ich lief die Treppe hinunter. Der Fahrstuhl war seit Jahren kaputt. Zwölf Stockwerke. Im zweiten kam ich auf die Idee, bei Flavia anzuklopfen. Wir hatten mal eine wundervolle Affäre, die zwei Jahre andauerte. Wir hatten vor, zusammen zu leben und uns bis ans Ende unserer Tage zu lieben. Sie mit ihren Skulpturen, ich mit meinen Romanen. In jenen Tagen nannte sie mich »Papa«, und zärtlich erklärte sie mir: »Ich brauche dich so sehr, Papa.« Doch dann ging sie nach Spanien, anschließend nach New York. Sie war ziemlich erfolgreich und vergaß unsere Pläne. Sie brauchte Papa nicht mehr. Sie kam zurück. Wir sahen uns eine Stunde. Und der Abschied war für mich sehr traurig. Für sie ein glücklicher Tag. Viel Zeit war seitdem vergangen. Sie war wieder nach New York gereist, hatte Einzelausstellungen, auf denen mit kalifornischem Wein angestoßen wurde, und verkaufte ihre Zeichnungen für tausend Dollar. Jetzt zeigte sie mir die Fotos. Mit dem Finger wies sie auf den Galeristen und auf eine kleine Tunte, die ihr beim Aufbau half, sowie auf ihre Cousine und die Nachbarn, die extra gekommen waren. Na jedenfalls wirkte sie jetzt viel ruhiger. Und hatte zudem Dollars. Dollars sind ein gutes Beruhigungsmittel. Sie machte mir einen Kaffee.
    »In New York berühmt zu werden, ist sehr schwer. Es ist doch schöner, etwas Geld zu verdienen und sich zu amüsieren, findest du nicht?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe nie Ruhm in New York gesucht.«
    »Ohhh, gib mir nicht solche Antworten. Bist du immer noch verbittert?«
    »Ich war nie verbittert. Nur sehr traurig.«
    »Lass uns nicht mehr davon sprechen.«
    »In Ordnung. Ich bin nur gekommen, um Hallo zu sagen und zu sehen, wie es dir geht.«
    »Nimm nicht noch mehr ab. Du bist ziemlich schmal geworden. Warum?«
    »Ich nehme Ballettunterricht.«
    »Ach, du Nervensäge.«
    »Na dann, bis bald.«
    Und ich ging. Sie hatte keine Ahnung, was für eine Spur von trauriger Poesie und Schmerz und Tränen sie hinterließ. Wie in einem Bolero. Sie weiß es nicht. Und sie wird es nie erfahren, weil ich ihr diese Genugtuung nicht geben werde. Es regnete in Strömen, und der Wind wehte in Böen. Ich mag solche Tage nicht. Sie machen mich noch hungriger.

 
     
Vollmond auf dem Dach
     
    Luisa machte weiter mit ihrem versilberten Spanier. Oder vergoldeten. Hin und wieder kam sie für ein paar Minuten hinauf in mein Zimmer, ließ mir zehn Dollar da und sagte: »Läuft alles gut. Er kommt aus Asturien. Ein Lackel, aber stinkend vor Geld.«
    »Was ist ein Lackel?

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