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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Wie leicht du diese merkwürdigen Ausdrücke annimmst.«
    »Klar, man muss dazulernen. Und du, knabbere du ruhig weiter dein trocken Brot. Wie war's denn mal mit einer Spanierin?«
    »Lass mich in Ruhe, Luisa! Weder eine Spanierin noch sonst eine Scheißtante. Was ist ein Lackel?«
    »Ein Bauer, Schätzchen, ein Bauerntölpel. Ein Landei.«
    »Aha.«
    »Und er will mich mitnehmen.«
    »Klar. Dich wollen doch alle immer mitnehmen. Doch sobald sie dann einen Fuß ins Flugzeug gesetzt haben...«
    »Hör auf zu unken, du Pechvogel. Dein Anblick bricht einem das Herz. Ich gehe jetzt. Wenn ich mit ihm fertig bin, komme ich zurück... O Schätzchen, du fehlst mir so.«
    »Du dumme Schlampe. Nicht mal deine Mutter würde dir fehlen.«
    »Sprich nicht so mit mir, Spatz.«
    »Wenn ich dir wirklich so fehlte, würdest du mir nicht nur zehn Dollar gegeben. Ich verhungere glatt.« »Schätzchen, die Sache ist die: Er gibt mir kein Geld. Er zahlt für alles. Diese mageren zehn Eier habe ich ihm abgeluchst, um dir was mitzubringen. Sei nicht undankbar, Schätzchen.«
    Sie küsste mich wieder und wieder, dann ging sie. Diese Mulattin ist supersaftig. Bei ihrem Anblick wird mir das Hirn weich. Als ich allein war, faltete ich den Zehndollarschein sorgfältig mehrmals und versteckte ihn in einem Spalt im Türrahmen zwischen den losen, verrosteten Schrauben, ging dann aufs Dach und setzte mich auf die Dachrinne.
    Ich wohnte auf dem Dach eines Gebäudes am Malecón, im zwölften Stock, ungefähr sechzig Meter über der Straße. Und ich saß am liebsten auf dem Gesims und ließ meine Füße ins Leere baumeln. Es war ganz leicht. Ich musste mich nur vom Dach zum Gesims hochziehen. Ein wunderschönes Gesims, mit Traufröhren aus gemeißeltem Stein in Form von Greif- und Paradiesvögeln. Es war ein altes, sehr solides Gebäude im Bostoner Stil, das langsam anfing zu bröckeln, bei all den vielen Menschen, die darin zusammengepfercht zu überleben versuchten.
    Na, jedenfalls war's einfach. Ich hockte da wie ein Vogel und dachte an die Zeit zurück, als ich noch richtigen Mumm in den Knochen hatte und mich mit einem Hangglider von einem Hügel im Vinales-Tal aus in die Lüfte schwang und vor Angst den Arsch einkniff. Das zarte Gestell ließ mich nie im Stich. Jetzt sprang ich nachts hoch auf die Dachrinne und saß da in der kühlen Nacht und schaute hinunter auf alles im Abendlicht. Irgendwie war ich immer versucht, zu springen und davon-zufliegen und mich als der freieste Mensch der Welt zu fühlen.
    An dem Abend kam Carmita. Sie war eine Abenteurerin. Sie ging mit drei Männern gleichzeitig: mit einem Seemann, einem Mechaniker und einem Zollbeamten. Carmita ist ein Fall für sich. Sie ist einundvierzig, benimmt sich aber wie ein kleines, elfjähriges Mädchen. Ihre Leidenschaften sind Sex, Geld und Glücksspiele. Aber nicht in dieser Reihenfolge. Ich glaube, es muss heißen: Geld, Sex, Geld, Spiele und noch mehr Geld. Und betrügen und gewinnen um jeden Preis. Sie wohnt im fünften Stock mit ihren Kindern und Männern. Ich bin noch nicht dahintergekommen, wie sie es schafft, ihre Kerle zu wechseln, ohne dass sie aufeinander treffen. An dem Abend hatte ich das Gefühl, dass sie vorhatte, ihrer Sammlung an nützlichen Männern noch ein viertes Opfer hinzuzufügen.
    Plötzlich stand sie hinter mir und schrie. Ich saß da wie eine Fledermaus im Mondlicht, vor einem herrlichen Vollmond in kristallklarer blauer Nacht. Das Meer bewegte sich kaum, und der Malecón war ganz still, fast ohne Menschen. Ich schwebte da im leeren Raum in Ekstase und dachte an nichts. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, so im Leeren zu schweben, direkt überm Meer in dieser kühlen Junibrise, umgeben von tiefer Stille. Da kann man an nichts denken. Ich konnte an nichts denken, denn ich schwebte, zog mich in mich selbst zurück, ohne etwas zu suchen - war eins mit mir. Es war wie ein Wunder inmitten dieser Stürme und Schiffbrüche, ein Wunder in meinem Innern. Und da kam plötzlich Carmita und schrie:
    »Du wirst hinunterstürzen, Pedro Juan! Was machst du da? Heilige Mutter Gottes!«
    »Hey, immer mit der Ruhe. Was soll das Geschrei?« Diese Frau redete mit mir, als sei sie meine Mutter oder so. Und es war das erste Mal, dass sie hier aufs Dach heraufgekommen war. Wohnten wir hier oben zusammen, würde sie mich bestimmt mit ein paar Klapsen von der Dachkante verscheuchen.
    Na, ich weiß nicht mehr genau, was dann geschah, jedenfalls ging ich ein paar Minuten später die

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