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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Hexenjagd. Nicht auf Schwule, das wäre ein bisschen zu plump, sondern auf die Direktoren und Impresarios, die den Transvestiten den Zugang zur Bühne ermöglichen. Der Alte hatte Angst, dass der geringste individuelle Freiraum zu einem Freiraum für Ideen würde.
    Aber irgendwie bin ich heute nicht dazu aufgelegt. Ich kann heute nicht schreiben. So wiederhole ich ständig den einen Satz: Ich liebe Narben, keine Wunden. Warum wiederhole ich das bloß dauernd wie ein Blöder? Ich liebe Narben, keine Wunden.
    Jeden Tag werde ich den Schwarzen ähnlicher, die hier im Haus wohnen. Sie haben nichts zu tun, sitzen an der Straße und versuchen mit dem Verkauf von ein paar Brötchen, ein paar Stücken Seife, einigen Tomaten oder was immer gerade da ist zu überleben - Tag für Tag, ohne an morgen zu denken oder auch nur, was sie als nächstes tun sollen. Sie setzen sich mit einem Stück Seife oder zwei Packungen Zigaretten in der Hand auf die Straße und lassen den Tag an sich vorüberziehen. Und sie überleben. Die Tage vergehen. Über all das dachte ich gerade nach, gelangweilt und voller Liebe zu Narben, als Luisa kam. Sie war todmüde, schläfrig, aber sie hatte ihr täglich Brot verdient: sie brachte einen kleinen Schatz mit. Vierzig Dollar, zwei Dosen Bier, eine halbe Flasche Whisky. Hätte zwar besser sein können an einem Samstagabend, aber es war schon in Ordnung. Sie duschte, nahm ein Aspirin, wir stellten den Ventilator an und legten uns nackt ins Bett. Sie wollte nichts mehr trinken. Ich aber schenkte mir einen Whisky auf Eis ein. Sie erzählte mir von dem Kerl, den sie letzte Nacht auf dem Malecón aufgetan hatte. Es gefällt ihr, mir die Details zu erzählen - und zwar alle. Er wollte Sex am Strand, auf dem Sand. Und er bekam ihn. Mit Vollmond, Palmen und einer wunderschöner Mulattin. Tropischer ging's nicht. Als typischer Europäer hatte er seine eigenen Kondome in der Hosentasche. Alles normal. Er verlangte nichts Schräges.
    »Sein Schwanz war sehr dünn und nach links gebogen. Es tat ein bisschen weh, aber das machte nichts. Ich erzähle dir alles später, lass mich jetzt schlafen, mein schöner Mann, ich bin völlig erschöpft.«
    Und eine Sekunde später war sie eingeschlafen. Ich trank den Whisky aus. Dann schenkte ich mir noch einen ein. Tagsüber bin ich nicht müde und kann nicht schlafen. Ich sehe diese nackte Mulattin zu gerne an. Sie ist bildschön. So schlank und zart. Für die Zeit, die es hält, reinste Glückseligkeit. Mehr kann man nicht verlangen. Das Beste, was es um mich herum überhaupt gibt.
    Da fiel mir wieder der Morgen ein. Vor Jahren wohnte ich einmal in einer herrlichen Wohnung mit einer Terrasse, die auf das Karibische Meer hinausging. Ich wachte früh am Morgen auf, trat auf die Terrasse hinaus, und da war Venus, stark glänzend im Zwielicht des anbrechenden Tages. Ich ging ins Kinderzimmer und weckte Anneloren, die damals fünf oder sechs war, nahm sie mit auf die Terrasse und zeigte ihr Venus.
    »So geht es Tag für Tag, erst Venus, dann die Sonne - unendlich. Alles Wichtige, alle wirklich wichtigen Dinge im Leben sind beständig. Und wir wissen, dass sie da sind, und können ihnen danken.«
    Und dann, was weiß ich, ich glaube, ich habe die Whiskyflasche bis zur Neige geleert.

 
     
Stürmische Tage
     
    Seit einigen Tagen gab ich ziemlich stinkende Fürze von mir. Ich lebte nur noch von schwarzen Bohnen, und die verwandelten sich unverzüglich in Stinkbomben. Dauernd. Sogar ich war angewidert von diesem Gestank nach faulender Scheiße. Zum Glück war ich allein in meinem Zimmer. Luisa begleitete diese Woche einen reichen Spanier und wohnte im Hotel. Wäre Luisa jetzt hier bei mir, hätte ich Mitleid mit ihr. Wirklich. Ein Furz ist vielleicht witzig, aber mehr als zwei sind ekelhaft. Und wenn sie pesten, ist das überhaupt kein Witz mehr. Vielleicht kam Luisa mit Kohle zurück. Das würde uns einiges erleichtern, wenn auch nur für ein paar Tage. Ich hoffe, die Schlampe verbrät nicht alles beim Shopping, für Kleider und Parfüms. Wir brauchten auch was zu beißen.
    Seit drei Tagen war ich jetzt ohne einen Centavo, und der schwarze Dreckskerl nebenan hämmerte unaufhörlich sein Blech zu Eimern.
    Wahrscheinlich würde Luisa erst zurückkommen, wenn sie ihren Spanier am Flughafen verabschiedet hatte, während ich einfach dasaß und verhungerte. Schluss jetzt. Ich würde Eimer verkaufen. Ich ging rüber und sprach ein Weilchen mit dem Typ. Leihweise gab er mir einen Eimer.

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