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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Sozialismus und an die Etappe des Man-beißt-nicht-die-Hand-die-einen-füttert. Zum Teufel mit allem Mitleid. Wir amüsierten uns nicht schlecht. Der Chicano erzählte mir aus seiner schwulen Jugend in Acapulco. Er war eine Tunte gewesen, so lange er zurückdenken konnte. Und das machte ihn irre komisch. Er erzählte seine gesamte Familiengeschichte rückwärts. Es war wahnsinnig amüsant, zu hören, welcher Drangsal die Wohlhabenden mitten in der Mexikanischen Revolution ausgesetzt waren, und wie die Geister seiner schottischen Urgroßväter und Urgroßmütter und altjüngferlichen Tanten nachts umherwanderten. Irgendwie können diese verdammten Mexikaner herrlich schreiben, sie haben Rohmaterial erster Güte und waren immer und ewig die Geknechteten.
    Gegen Mitternacht ging der Chicano aufs Klo, und drei Nutten gingen ihm gleich hinterher, um ihn zu vergewaltigen oder so was in der Richtung. Ziemlich erschrocken kam er eiligst zurück unter meine Fittiche. Eine Bande von schwarzen und weißen Jugendlichen hatte sich um uns geschart und bettelte um irgendwas, ganz gleich was. Sie setzten eine halb verhungerte Miene auf, streckten die Hand aus und schnurrten:
    »Bitte, Señor, geben Sie uns etwas, damit wir essen können.« Ich versuchte sie zu verscheuchen. »Hey, Schluss jetzt! Hier gibt es nichts!« Daraufhin führte einer aus der Bande die anderen würdevoll fort.
    »Entschuldigen Sie, Señor, aber die Lage macht uns ganz verrückt. Seien Sie nicht böse. Los, jetzt, kommt weg.« Sie liefen davon, aber der Anführer kam zurück mit einem Lächeln.
    »Haben Sie gesehen, wie ich Sie von diesen verrückten Jungs befreit habe? Warum geben Sie mir nicht irgendwas? Nur eine Kleinigkeit, vielleicht für einen Hamburger.« »Nein, junger Mann. Nichts! Scher dich fort.« Ich bemerkte, dass der Chicano etwas nervös war. »Was ist los, Enrique?«
    »Nichts. Es ist nur, dass eine von den Frauen mir in die Hose greifen wollte, und das ist eine ernste Geschichte. Sie hat versucht, mich zu vergewaltigen, weißt du. Das alles ist zu viel für mich. Ich bin ein bisschen durcheinander. Lass uns irgendwo essen gehen.«
    Wir hatten schon acht oder neun Bier intus. Auf leeren Magen. Das blieb nicht ohne Effekt. Wir waren ein bisschen angetrunken, aber nicht sehr. Der Chicano zahlte, und wir gingen auf den Malecón. Dort schoben sich Tausende und Abertausende von Leuten. Bei dieser Julischwüle kamen alle aus ihren Löchern gekrochen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen und Musik zu hören. Es wurde langsam dunkel auf dem Malecón, und die Musik spielte laut. Genauer gesagt, erklang von allen Seiten unterschiedliche, laute Musik. Das Meer lag ruhig da. Nicht die leiseste Brise wehte. Es war stickig heiß, dunkel, rumorte von Tausenden Leuten und stank nach überlaufenden Abwässern. Zwei der Huren, die dem Chicano ins Klo gefolgt waren, holten uns ein und packten ihn am Arm. Es waren zwei blutjunge, hübsche, verschwitzte Mulattinnen. Vielleicht etwas zu dünn, mit schwarzen Rändern unter den Augen. »Wenn du schon nicht mit uns schlafen willst, gib uns wenigstens etwas für einen Hot Dog.«
     »Nein! Ich habe nichts, ich habe nichts! Bitte!«
    »Ach, du bist 'ne alte Schwuchtel! Das ist es. Seht nur, wie toll er sich findet. Geh zu deinem kleinen Freund, los! Fick ihn in den Arsch, du Stricher! Das ist doch, was er will!« Verdammt. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, zu antworten. Lohnte nicht. Wir gingen weiter. Die Leute sahen uns an, und wir sahen die Leute an. Alle schwitzten. »Seit ich in Kuba bin, läuft mir das Wasser runter«, teilte mir Enrique lachend mit und wischte sich den Schweiß mit einem roten Halstuch. In den verschneiten Bergen Colorados trug er es bestimmt um den Hals, um sich vor Erkältungen zu schützen. Meine Gedanken schweiften eine Weile um reitende Cowboys mit Lederjacken in den Bergen. »Wir müssen irgendwo etwas essen, Pedro Juan. Hast du keinen Hunger?«
    »Doch. An der Ecke dort ist ein Imbiss.« Wir gingen rüber zu dem Stand. Er war von vielen kleinen Tischen umgeben, alle besetzt. Viele Leute standen herum, und es ging sehr laut zu. Woher kamen all diese Leute? Wir bahnten uns den Weg an den schwitzenden Leibern vorbei, die alle schrien, tanzten und lachten, und gelangten an den Tresen. Wir bestellten zwei Portionen Huhn mit Pommes Frites und zwei Bier. Ich hatte wirklich vor, mich an dem Abend zu besaufen. Aber wenn ich in Stimmung bin, mich zu betrinken, kann ich eins nach dem

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