Peehs Liebe
Fischkonserven) brachte, war er unten im Schacht. Er hatte mittlerweile die Talsohle erreicht. Er erzählte, dort unten befänden sich Grotten so groà wie FuÃballfelder, die das Grundwasser in Millionen Jahren aus dem Gestein herausgespült hatte, Geröll und Felsstücke,labyrinthische Gänge mit geheimnisvollen Zeichen an den Felsen. Wenn Strohwang verschwitzt nach oben kam, sah er aus, als hätte er jahrelang in den Höhlen gelebt, einem groÃen Lurch ähnlich. Er hatte eine alte Grubenlampe gefunden und meinte, die stamme von den Geldräubern. Ich musste ihm versprechen, niemandem etwas von dem Eingang zu erzählen, selbst wenn er dort unten sterben sollte, dürfte ich sein Geheimnis niemals verraten.
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Annie fuhr Rosarius im Rollstuhl zur Dusche, zog ihm die Schuhe aus, knöpfte sein Hemd auf, streifte ihm die Hose herunter und half ihm, nackt, wie er war, auf den in der Dusche stehenden stabilen Plastikstuhl. Sie lieà warmes Wasser aus dem Duschkopf über ihn rinnen. Sie seifte ihn mit Badeschaum ein, wusch ihm Haare, Hals, Nacken und Rücken.
Die Wurzeln des Gedeihens nicht achten,
murmelte Rosarius, während ihm Wasser über das Gesicht rann. Annie flüsterte,
was ist alles, das die Menschen in Jahrtausenden taten und dachten, gegen einen einzigen Augenblick der Liebe?
Manchmal antwortete sie Rosarius mit einer Textstelle aus dem «Hyperion». Sie stand im Duschbecken, ihre FüÃe waren nass geworden, ihre Bluse klebte an ihren Brüsten, ihr Haar war feucht wie nach einem Sprühregen im Sommer,
alle Scheidenden sprechen wie Trunkene, der Morgenwind regte sich, überzählte meinen Geist.
Rosarius streckte seine Hand aus, um Annie zu berühren. Sie legte den Waschlappen zur Seite, spülte lauwarmes, klares Wasser über den im Stuhl hockenden Mann, der sie ansah und dessen Fingerspitzen nun zaghaft ihre Brüste berührten und an ihrem Schritt entlangglitten. Es machte ihr nichts aus.
Peeh, Peeh, ich bin ein Fremdling, der aus Liebe im Dunkeln wandert.
Annie lächelte. Sie half Rosarius aus der Dusche, trocknete ihn ab, sah, wie sein Geschlecht sich aufgerichtet hatte, stolz und schön vor ihr stand. Sie musste schmunzeln, weil der alte Mann sich dessen gar nichtschämte. Sie zog ihm einen frischen Schlafanzug an, föhnte seine Haare, kämmte einzelne Strähnen nach hinten, cremte sein Gesicht ein, glättete seine buschigen Augenbrauen, während Rosarius sie immer nur betrachtete und seltsame Dinge flüsterte, Dinge in ihr unbekannten Sprachen. Sie half ihm schlieÃlich ins Bett, deckte ihn zu und stand in der Dämmerung vor ihm, strich ihr feuchtes Haar in den Nacken, knöpfte ihre Bluse auf. Rosarius betrachtete sie, sagte immerzu Peeh, berührte mit den Fingerkuppen zart ihre Brüste, schloss die Augen, schlief und träumte.
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I m nächsten Winter erschien Strohwang bei Evros, saà an der Theke und hörte sich Lästereien von Zehner und Delamot an. Strohwang hatte eine Eisenplatte über dem Schachteingang angebracht, sie mit Schlössern versehen und mit Laub bedeckt. Den Schlüssel für die Schlösser trug er an einer Kette um den Hals. Er schaffte sich einen Dobermann an, der sich mit Socke nicht vertrug und ihn immerzu biss, sodass Socke keine ruhige Minute mehr hatte. Immer wieder fragte ich Strohwang, ob er mir meinen Hund zurückgeben würde. Er tat es nicht, weil er vermutete, ich helfe ihm nur wegen Socke beim Graben.
Ich ging sonntags zum FuÃballspiel der Jugendmannschaft. ClaÃen war stolz auf seinen Enkel Klaus. Er sagte, er sei das gröÃte Kaller FuÃball-Talent, wenn man von mir absehe. Im Gegensatz zu mir habe er aber auch noch Grips im Kopf und besuche das Gymnasium. ClaÃen war zwar alt und gebrechlich, aber die FuÃballspiele wollte er unbedingt sehen. Ich schob ClaÃen weiterhin nach den Sonntagsspielen im Rollstuhl den Keldenicher Berg hoch. Er rauchte Zigarre und redete unentwegt über das Spiel. Da auch ich nicht mehr der Jüngste war, musste ich mich auf der Bank am Waldrand ausruhen, danach schob ich ihn das letzte Stück den Berg hoch.
In Keldenich angekommen, wollte ClaÃen zum Kirchfriedhof. Von dort blickte man bei klarem Wetter über die Ebene bis nach Köln. Ich hockte neben ClaÃens Rollstuhl auf der Treppe beim Steinkreuz und dachte an Peeh. Ich sah sie vor mir, hörte ihre Stimme, roch sie. Sie saà in einem
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