Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Veranlassung, daran zu zweifeln.“
„Das haben Sie offensichtlich falsch eingeschätzt. Und was geschah vorher?“ Nick liess sich nicht ablenken. „War sie nur bei Ihnen, oder war sie auch im Büro von Tom Truninger?“
„Also gut, Herr Baumgarten, hier ist die ganze Wahrheit. Frau Senn stand kurz nach siebzehn Uhr unangemeldet vor Toms Schreibtisch.“
Elena erzählte von der unschönen Szene zwischen Sybille Senn und Tom Truninger, und davon, dass sie gerufen wurde und Frau Senn mitnahm in ihr Büro, um sie zu beruhigen.
„Sie zeigte mir das Küchenmesser in ihrer Handtasche, und ich konnte sie dazu überreden, es mir zur Aufbewahrung zu übergeben. Nach einer halben Stunde hatte sie sich beruhigt und wollte wieder gehen. Sie werde bald aus der Klinik entlassen und hoffe, dass sie dann wieder bei uns arbeiten könne. Nach der ganzen Aufregung hatte ich nicht den Mut, ihr zu sagen, dass sie nicht damit rechnen konnte. Ich begleitete sie zum hinteren Ausgang und stellte sicher, dass sie das Haus verliess.“
„Und wo ist das Messer jetzt?“
„Das ist ja das Schlimme, Herr Baumgarten, das Messer ist verschwunden. Ich bin ganz sicher, dass ich es unter den Augen von Frau Senn in die oberste Schublade legte, aber dort war es am nächsten Morgen nicht mehr.“
Elena Fuchs atmete tief ein und schaute Nick bekümmert an. „Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob es möglich wäre, dass sie später am Abend zurückgekommen ist, das Messer aus meiner Schublade geholt und ihr Vorhaben doch noch in die Tat umgesetzt hat.“ Sie senkte ihren Blick und schüttelte den Kopf.
Vielleicht, dachte Nick, vielleicht. Aber die Einzelteile fügten sich noch nicht zu einem Ganzen, irgendetwas fehlte. Abgesehen davon hatte die Personalchefin ihn und sein Team ins Leere laufen lassen.
„Und warum, Frau Fuchs, mussten wir uns erst stundenlang Überwachungsvideos anschauen um herauszufinden, dass Frau Senn am Tag des Mordes hier war? Warum haben Sie uns das nicht gleich gesagt?“ Er schlug mit seiner Faust leicht auf ihren Schreibtisch. „Mühsame Kleinarbeit, die wir uns mit besserer Kooperation von Ihrer Seite hätten ersparen können.“
Elena schaute ihm direkt in die Augen. Er sieht gut aus, sogar wenn er wütend ist, dachte sie, Marina Manz hat einen guten Fang gemacht. Hoffentlich kann sie ihn halten.
„Es tut mir aufrichtig Leid, Herr Baumgarten. Ich schwieg, weil ich Sybille Senn nicht schaden wollte. Unsere Firma hat ihr schon genug Leid angetan, deshalb habe ich nichts gesagt. Aber jetzt, da sie tot ist, kann ihr ja nichts Schlimmeres mehr passieren.“ Elena verbarg ihr Gesicht in den Händen. „An ihrem Suizid sind wir als Unternehmen mitschuldig, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Ich werde sehen, ob wir die Familie wenigstens finanziell entschädigen können.“
„Noch eine Frage, Frau Fuchs. Auf welchem Weg hätte Frau Senn später wieder ins Gebäude gelangen können? Ich nehme an, Sie erteilten ihr nach der Szene mit Truninger Hausverbot.“
Elena lächelte gequält. „Um ehrlich zu sein, ich kam am Abend nicht mehr dazu, die Sicherheitsdienste zu informieren. Es kann gut sein, dass ein Mitarbeiter ihr Einlass gewährte, schliesslich kannte man sie. Es ist auch möglich, dass sie aus der Zeit ihrer Anstellung noch einen Schlüssel hatte für die Türe von der Parkgarage zum Bürotrakt. Unsere Schlüsselverwalterin war längere Zeit im Urlaub, und ihr Stellvertreter arbeitete weniger sorgfältig; seit dieser Zeit fehlt uns ein knappes halbes Dutzend Schlüssel.“
„Gut, Frau Fuchs, wir werden die Videos des Abends nochmals sichten, vielleicht finden wir einen Hinweis. Ich bitte Sie, uns sofort zu informieren, wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte. Auf Wiedersehen.“ Er nahm seinen Mantel und verliess den Raum, ohne zurückzublicken.
Elena Fuchs schenkte sich ein Glas Wasser ein und dachte über das nach, was sie in den letzten Minuten erfahren hatte. Falls die Polizei davon überzeugt war, dass Sybille Senn die Mörderin war, würde man ihr die Tat wohl nur auf Grund von Indizien nachweisen können, denn Tote machten keine Geständnisse.
*
Marina war im Intercity unterwegs nach Hause. Im Grunde fuhr sie lieber mit dem Auto, auch in der Grossstadt, aber ihr alter Spitfire war trotz guter Pflege kein Winterauto, die Heizung arbeitete nur langsam, und die Scheiben beschlugen ständig. Weil die Meteorologen Schnee angekündigt hatten, war sie mit dem öffentlichen Verkehr ins Theater im
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